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CENTRAL STATION - Apple Jean White - 11.08.2016 23:48 Eigentlich hatte sie Noah gesucht, um sich zu Entschuldigen. Das sie wieder gelogen hatte. Sie wollte es ihm Erklären, sie wollte sich Erklären aber wenn sie geahnt hätte, was da passierte, sie wäre davor einfach gegangen. Zu hören, was Noah glaubte, was ihr Vater getan hatte und was er für ein schrecklicher Mensch gewesen sein sollte, dass zerriss ihr das Herz erneut und nach den letzten Tagen, die sie mit Noah verbracht hatte und begann, sich besser zu Fühlen, war da mit einem Schlag nichts mehr von übrig. Sie hatte ihre Wut und Verzweiflung an Lahja raus gelassen, sie brauchte einen Schuldigen, warum sie sich so einsam fühlen musste und nun? Nun fühlte sie sich nur noch um einiges einsamer auf der Welt. Apple hatte niemanden mehr, restlos keinen und das Joker auch noch selbst die Überfälle geplant hatte – damit sie für ihn anschaffen ging, gab ihr doch nur mehr die Bestätigung, dass diese Welt grauenvoll war. Das diese Welt nichts für sie zu Bieten hatte, was sie halbwegs sympathisch machte und weil das so war, ging sie ein letztes Mal auf den Strich aber als der Mann gerade dabei war, seine Hose zu öffnen, zog sie Chris Waffe um sich des Geldes zu bereichern, dass der bei sich trug und dann machte sie sich auf den Weg zum Bahnhof. Damit würde sie wenigstens aus dieser verdammten, verfluchten, erbärmlichen Stadt hinaus kommen. Apple saß auf ihrem Rucksack am Gleis, in der letzten und dunkelsten Ecke, um nicht den Bullen in die Arme zu laufen und wollte deswegen auch erst Morgen reisen. Sie würde sich heraus Reden, auf dem Weg zu einem Familienbesuch zu sein und eingeschüchtert tun, damit keiner weitere Fragen stellte und nur noch so lange wollte sie ausharren. Sie kam nicht dazu, zu schlafen und das lag nicht an der Lautstärke der anrollenden und abfahrenden Züge oder an den Durchsagen sondern daran, dass sie unfassbar Traurig war. Sie hatte das Ticket genommen, mit dem sie am weitesten fahren konnte aber wohin wusste sie nicht einmal mehr. Sie hatte Noah geglaubt, er hatte zwar nie gesagt, Chris hatte nichts getan aber er war für sie da gewesen und das musste doch heißen, dass er ihren Vater nicht so hasste, wie es alle anderen taten? Zumindest hatte sie es gedacht und nun kam sie sich von ihm belogen und betrogen vor. Wäre sie nicht durch Zufall auf die Idee gekommen, sich die Bilder auf dem Handy von Chris anzusehen, weil sie in den Morgenstunden doch nach Ablenkung gesucht hatte, wäre sie auch mit diesen Gedanken in ein neues Leben abgehauen. Doch es sollte ganz anders kommen denn was sie da sah, das raubte ihr erneut den Boden unter den Füßen. Geschockt starrte sie so lang auf den Display, bis sie es auf die Steine knallte und dieser Sprang. Da lag ihre beste Freundin, auf dem Sofa in ihrem alten Zuhause und da geschah etwas unglaublich fürchterliches. Ihr war ganz übel und benebelt von dem Schmerz, nicht wissend, was sie tun sollte, rief sie verwirrt bei Noah an. Als dessen verschlafene Stimme zu hören war, wusste sie nur gar nicht mehr, was sie hatte genau sagen sollen und es kam eher zusammenhanglos aus ihr, immer wieder mit einem Schluchtzen dazwischen, denn Tränen hatte sie wegen der letzten Tage kaum mehr übrig. „ Du... du hast nicht gelogen, ihr.... das war... ich weiß das jetzt. Es tut mir Leid, es tut mir unglaublich, unfassbar Leid.“ Sie dachte daran, ihm zu sagen, wo sie war aber was änderte das? Ihr Vater war ein Monster und wer wusste, was in ihr noch schlummerte und als Noah fragte, wo sie war, zögerte sie. Ihr war gar nicht deutlich, dass er durch die Stille hören konnte, wie die Züge angesagt wurden. „ Ich... ich kann nicht, es ist besser, wenn ich jetzt gehe, ich habe hier nichts mehr verloren aber ich wollte... wollte dir das nur sagen und das es mir Leid tut.“ Zum wiederholten Male, um dann aufzulegen. Noch eine Weile starrte sie auf das Handy, ob das richtig war aber sie konnte kaum klar denken. Sie wollte hier weg, jetzt aber noch aus einem anderen Grund, sie schämte sich so und sie fühlte sich so dumm, dass sie ihrem Vater geglaubt hatte. RE: CENTRAL STATION - Noah Scott - 16.08.2016 17:46 Ich wusste, dass ich Apple verletzt hatte, und ich wusste auch, dass ich sie suchen und noch einmal mit ihr reden musste, bevor sie tatsächlich die Stadt verließ und wohlmöglich für immer aus meinem Leben verschwand, aber nicht heute. Nicht heute Nacht. Da gehörte mein Kopf und mein Körper nur Lahja. Morgen würde ich mich dann wieder auf die Suche begeben und ich war mir auch sicher, dass meine Freundin das verstehen konnte, denn mit jedem weiteren Tag, der verging, riskierte ich doch nur noch mehr, dass ich Apple nicht wiederfand und auch nicht die Chance bekam mich bei ihr zu entschuldigen, aber dass es mich dann doch so plötzlich und unerwartet von Lahja wegzog, damit rechnete auch keiner von uns beiden. Die Sonne war noch nicht einmal aufgegangen, als mein Handy klingelte, die Nummer von Apple darauf erschien und ich mir den Hörer panisch ans Ohr hielt. Kerzengerade saß ich im Bett, als ich ihre verweinte, erschrockene, stammelnde Stimme vernahm und obwohl ich sie mehrmals fragte, was los sei und wo ich sie finden konnte, waren die Informationen, die sie mir gab, abgehakt und zusammenhanglos. Ich hatte Recht? Womit hatte ich Recht? Mit dem, was ich über ihren Vater gesagt hatte? Rief sie mich darum an? Entschuldigte sie sich deshalb bei mir? Mehrmals sprach ich ihren Namen aus, versuchte sie aufzuhalten, aber noch bevor ich einen richtigen Satz aussprechen konnte, hatte sie schon wieder aufgelegt und ließ mich damit in der Stille von Lahjas Zimmer zurück. "Apple", erklärte ich atemlos, weil meine Freundin dank meiner aufgeregten Stimme sowieso schon längst wach geworden war, aber sie schien zu verstehen. Sie schien zu akzeptieren, dass es damit etwas gab, das jetzt gerade wichtiger sein musste, als wir, und dass ich es mir niemals verzeihen könnte, wenn ich jetzt bei ihr blieb. Sie kannte mich, besser als jeder andere, und als sie mir liebevoll, unterstützend zunickte, stand ich direkt aus dem Bett auf, um übereilt nach meiner Kleidung zu greifen und sie mir anzuziehen. "Ich liebe dich", flüsterte ich ihr noch einmal zu, bevor ich verschwand, und beugte mich auch zu ihr hinab, um Lahjas wunderschönes Gesicht in meine Hände zu schließen und sie noch einmal lange zu küssen. Danach rannte ich die Treppen herunter, zum Glück ohne Kilian in die Arme zu laufen, und stürzte nach draußen, wo ich dann aber doch erst noch einmal innehielt. Eben beim Telefonat hatte ich die Ansagen im Hintergrund gar nicht recht registriert, ich war nur auf Apple fixiert gewesen, aber jetzt kam langsam die Erinnerung an die Hintergrundgeräusche zurück. Es musste ein Bahnhof sein, wo sie sich gerade aufhielt, und obwohl es davon mehrere in Los Angeles gab, dachte ich nicht lange nach, sondern steuerte direkt den Größten an. Eine knappe halbe Stunde brauchte ich, bis ich nacheinander die Treppen zu den Gleisen nach oben rannte und mich dort atemlos suchend umsah, aber nichts. Ich blieb erfolglos, bis zum letzten Gleis, wo bereits ein Zug stand und nur noch auf seine Abfahrtsgenehmigung wartete. Der Bahnsteig war leer und ich wollte gerade schon resignierend aufgeben, an einem anderen Bahnhof nach ihr suchen, als mein Blick in einem der Wagons hängen blieb. Die junge Frau, die dort am Fenster saß, hatte ihre Kapuze weit über den Kopf gezogen und wirkte völlig in sich zusammen gebrochen, aber trotzdem erkannte ich sofort, dass es Apple war. Zweifellos. Ohne darüber nachzudenken, und ohne eine gültige Fahrkarte zu besitzen, sprang ich sofort in den Wagen hinein, kämpfte mich zwischen Koffern hindurch, bis ich endlich an ihrem Abteil angekommen war, und drückte kraftvoll die Schiebetür auf. Im selben Moment gab der Schaffner mit einer Pfeife das Signal, dass sich der Zug in Bewegung setzen konnte, aber auch das bemerkte ich nur unterbewusst und ließ mich kaum davon beeinflussen, als ich Apple in die Augen sah. "Bist du- bist du okay? RE: CENTRAL STATION - Apple Jean White - 16.08.2016 20:02 Als der Langstreckenzug einfuhr, stand Apple geistesabwesend vom Boden auf und schulterte die wenigen Sachen, die sie ihr eigen nennen konnte, in einem einzigen Rucksack. Um nicht so auffällig als Wohnungslose, Minderjährige Person entlarvt zu werden, hatte sie sogar ihren Schlafsack zurück gelassen. Neben einem bisschen Bargeld-Rest von dem Raub, übriggebliebenen Nahrungsmitteln oder Hygieneartikeln vom letzten Einkauf, steckten da nur vereinzelte, knappe Kleidungsstücke in ihrer Tasche, die sie feste mit ihren Armen umklammerte und in einem Teil davon, war gut eingewickelt, die Schusswaffe von Chris versteckt. Apple setzte sich in das Abteil, was ihr am wenigsten voll mit Menschen vorkam und ihre Körpersprache vermittelte auch, dass sie keine Gesellschaft wollte. Hoffentlich dachten alle, dass sie das war, was sie vorgeben wollte zu sein. Ein eingeschüchtertes, junges Mädchen, mit anfänglichem Heimweh weil es erstmals die Verwandten, ganz alleine, mit dem Zug besuchte. Sie hatte die Erfahrung gemacht, dass man in dieser Rolle seine Ruhe hatte. Kein Beamter und kein Schaffner wollte sich den Schuh anziehen, das junge Ding zum weinen zu bringen. An ihrem Körper trug sie die einzigen Sachen, die sie ihrem Alter entsprechend besaß. Es waren die, die sie mit Noah in San Francisco gekauft hatte. Unter dem Stoff, mit der Kapuze tief in ihr Gesicht gezogen, fühlte sie sich so Geborgen, wie es eben in ihrem Leben sein konnte. Jetzt war sie wirklich ganz alleine und das mit all diesen schlimmen Gedanken, Bildern und auch Worten in ihrem Kopf. Die Schuld lastete schwer auf ihr, Lahja und Noah und auch alle anderen, des Lügens bezichtigt zu haben und die Verzweiflung in ihr, was ein Mensch ihr Vater gewesen war und was das nun für sie Bedeutete. Haily war ihre Freundin gewesen, ihre einzige und beste Freundin, seid sie ihr schönes Leben und damit auch ihre Kindheit, hatte zurück lassen müssen. Warum hatte er das getan? Wie konnte man so sein? Was hatte sie in seinem Leben für einen Wert gehabt? Hatte er sie Lieben können oder war das alles nur gelogen? Hatte er nie ihr bestes im Sinn gehabt, sondern nur seine Befriedigung, seine Rache und was auch immer da noch so in seinem kranken Kopf vorgegangen war? Wieso hatte er nicht ein ganz normaler Papa sein können, mit einem scheiß, spießigen Leben? Wieso hatte er nicht aufgehört, solche fürchterlichen Dinge, wie mit Lahja, jungen Mädchen, anzutun? Apple hielt sich krampfhaft an dem Rucksack fest, als sie sich diese Fragen immer und immer wieder stellte und hoffte, irgendwann würde das aufhören. Als Noah das Abteil betrat und der Zug sich, nach einem Pfiff, ruckelnd in Bewegung setzte, registrierte sie gar nicht erst, dass ihr Gast kein Unbekannter war. Mechanisch griff sie nach dem kleinen Seitenfach, in dem das Handy steckte, die dürftigen Ausweispapiere und das Ticket. Es war nicht gespielt, wie sie den Tränen nahe, ihren Text aufsagte. „ Ich fahre Verwandte besuchen, das erste mal allein mit dem Zug, mein...“ weiter kam sie nicht. Es war seine bekannte Stimme und sein Gesicht, was ihr die Kehle und damit die Worte abschnürte. „ Was...“ Nach einem prüfenden Blick war klar, hier bestand keine Fluchtmöglichkeit. Wie könnte sie denn alles, was sie nun in sich trug, mit ihm teilen? Sie Schämte sich so unfassbar. „ Was machst du hier? Wie hast du mich gefunden? Das hättest du nicht tun dürfen, das ist nicht richtig.“ Brachte sie die Gegenfragen fertig und ließ, im Gegenzug, seine Frage unbeantwortet. Was war denn bitte in ihrem Leben noch okay? Nichts war okay. Weil sie Noah nicht ansehen konnte und weil sie das nicht in den Mund nehmen konnte, was sie gesehen hatte, holte sie das gesprungene Handy von Chris aus der Tasche. „ Er hat es... öfter gemacht. Es... es tut mir so Leid. Ich wollte das nicht und... sie kannte ihn nur durch mich und auch was er Lahja angetan hat und das ich ihr das an den Kopf geworfen habe, dass sie Lügt...“ bebend sprach sie ihre Gefühle aus, sich immer wieder für die Taten ihres Vaters entschuldigend und sah angewidert zu Seite, als sie Noah das Bild von Haily auf dem Display zeigte. Das ihr das nicht zustand, daran dachte sie doch gar nicht. Kein klarer, vernünftiger Gedanke hatte Platz in ihr. RE: CENTRAL STATION - Noah Scott - 17.08.2016 13:36 "Es tut mir Leid. Es tut mir so Leid, Apple. Was ich gesagt habe-" Ich hatte so viele Entschuldigungen in meinem Kopf, ich wollte ihr so viel mitteilen, aber als sie mir ein zerstörtes Handy entgegen hielt und ein paar Worte stammelte, die für mich keinen Zusammenhang ergaben, brach ich mittendrin wieder ab. Von wem redete sie denn da? Ging es um Chris? Und wen kannte er denn nur durch Apple? Sprachen wir noch über Lahja? All diese Fragen und die damit einhergehende Verwirrung wurden aber schnell im Keim erstickt, als ich auf das Handy drückte und den Bildschirm entsperrte, denn darauf waren nicht etwa die Videos von meiner Freundin zu erkennen, sondern Haily. Der nackte Körper von Haily. Schlafend, bewusstlos, weggetreten, ich wusste es nicht, aber Chris hatte sie fotografiert. Er hatte ihr etwas Schreckliches angetan und das traf mich mit einem Schlag so hart, dass ich mich an der Scheibe des Zugabteils festhalten musste. Nein. Nein, das konnte nicht sein Ernst sein. Wusste Haily das? Hatte sie deshalb die Stadt verlassen? Und Aiden? Hatte das etwas damit zutun, dass Chris sein Leben lassen musste? Wusste Aiden davon? Wann war das passiert? Da waren auf einmal so viele Fragen in meinem Kopf und so viel Schmerz in meinem Körper, dass mir ganz schwindelig wurde. Dass ich meine Finger nur noch fester in den Türrahmen krallte, um mich daran festzuhalten. "Das- das kann nicht wahr sein." Gebrochen und kratzig klang meine Stimme, mit den Augen klebte ich aber immer noch an dem Bildschirm, auf dem ich jetzt mechanisch meinen Finger nach rechts bewegte, um die übrigen Fotos durchzusehen. So als bräuchte ich noch mehr Beweise dafür, um zu glauben, dass er Haily das tatsächlich angetan hatte. Und ich fand sie auch. Aus allen möglichen Positionen hatte er den nackten Körper dieser wunderbaren, liebenswerten jungen Frau fotografiert, der völlig regungslos auf jedem Foto gleich aussah. Sie war tatsächlich nicht bei Sinnen gewesen, als Chris ihr diese schrecklichen Dinge angetan hatte und weil mich diese Last so sehr erdrückte, ließ ich mich wie in Trance gegenüber von Apple auf das Polster der Sitze sinken. "Wann- wann ist das passiert? Weißt du, wann das passiert ist?" Weil ich mir diese Grausamkeit nicht mehr ansehen konnte, drehte ich das Handy in meiner Hand um und reichte es ganz langsam, mit zitternden Fingern, an Apple zurück. "Weiß Haily davon? Hat Aiden- hat Aiden deshalb- das getan?" Eigentlich wusste ich, dass Apple genauso ratlos war wie ich, aber ich stand noch viel zu sehr neben mir, um angemessen differenzieren zu können. "Das-- Ich-- Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Es- es tut mir Leid, Apple, ich wünschte- ich wünschte du hättest das nicht- erfahren müssen. Vor allem- vor allem nicht so." Denn obwohl ich Haily liebte und obwohl mich das unfassbar schmerzte, wusste ich, dass es für Apple noch viel schlimmer sein musste. Ihr Vater hatte das getan, ihr einziger übrig gebliebener Verwandter. Der Mann, den sie so geliebt hatte. RE: CENTRAL STATION - Apple Jean White - 17.08.2016 23:25 Apple hatte nie gewollt, Noah so zu verletzen und wie er Reagierte, das schmerzte sie unheimlich. So sehr, dass sie irgendwann die Augen nur noch auf den leeren Platz vor sich richten konnte und das so lange, bis Noah sich genau wieder in ihr Blickfeld setzte. Warum tat er das hier? Warum gab er ihr nicht das, was sie verdient hatte und vor allem, was sie selbst für sich erkannt hatte. „ Ich... ich weiß nicht wann das passiert ist. Ich wusste nicht, dass er das getan hat, wirklich nicht und ich... ich weiß nicht ob Aiden das wusste aber ich glaube... ich glaube das er es wusste und das er deswegen...“ Als Noah ihr das Handy wieder geben wollte, lehnte sie das ab und statt nur den Kopf zu schütteln, zog sie ihre Beine eng an und legte die Arme nicht nur um ihren Rucksack sondern schloss diese mit ein, es war wie ein Schutzschild gegen all seine Worte und alle seine Gefühle. „ Ich... ich hätte es dir geschickt. Damit du... du Haily das geben kannst, falls sie es nicht weiß oder das es Beweise gibt, um Aiden zu helfen und... ich habe versucht zu finden, ob da Beweise drauf sind, damit Lahja jedem beweisen kann... dass mein Vater ihr das getan hat... und sie sich nie wieder irgendwelchen Fragen stellen muss... ihr könnt das der Polizei geben. Vielleicht können die seine Passwörter knacken, ich weiß nicht aber... aber ich wollte es ein wenig wieder gut machen... es tut mir so Leid.“ Und anders als Noah sah sie sich in genau der selben Schuld. Immerhin war das ihr Vater gewesen, der das alles getan hatte und sie sträubte sich gegen die Entschuldigungen von Noah, so sehr, dass sie aber auch ihre offenen Fragen nicht für sich behalten konnte. „ Warum bist du hier und warum sagst du das? Warum verfluchst du den Tag nicht, an dem ich dir über den Weg gelaufen bin? Ich... Chris war ein schrecklicher Mensch aber eben auch mein Vater und... und ich bin nicht gut für dich. Für keinen. Da fließt doch das selbe Blut durch meine Adern und ich habe auch schon viele, schlimme Dinge getan und... ich will einfach nur weg. Ich will alles vergessen, was seid dem Tag passiert ist, als ich ihn kennen gelernt habe.“ Das beinhaltete auch jede Begegnung, das schloss Noah und Haily mit ein und das war es, was sie danach dazu brachte, ihren Kopf an ihren Rucksack zu lehnen und ihr Gesicht vor ihm zu verbergen. Apple hatte in ein neues Leben starten wollen und sie hatte sich in den Kopf gesetzt, wenn sie alles, was mit Chris in Verbindung stand, hinter sich lassen konnte – dann konnte sie irgendwann vergessen, zu welchen grausamen Taten er bereit war. Das sie einen Vater gehabt hatte, der ihrer besten Freundin etwas so schlimmes angetan hatte und vielleicht hätte sie damit auch vergessen, was sie sich selbst zutraute zu werden – eine genauso schlimme Person. RE: CENTRAL STATION - Noah Scott - 18.08.2016 16:37 Ganz langsam ließ ich meine Hand wieder sinken, als Apple kopfschüttelnd das Handy ablehnte und während sie mir aufzählte, was uns dieses kleine Stück Technik ermöglichen könnte, starrte ich abwesend auf den zersprungenen Bildschirm. Das alles hatte doch jetzt keinen Wert mehr. Niemand würde aus Lahjas Kopf diese schrecklichen Erinnerungen an Chris löschen können, niemand würde Haily ihre strahlendes Lächeln zurückgeben, das nicht mehr dasselbe wäre, wenn sie davon erfuhr, und Lucy würde auch nicht von den Toten auferstehen. Meine Freundin war nicht vor Gericht gegangen, um Recht zu behalten oder Schmerzensgeld einzufordern oder um Chris zu bestrafen, sondern nur aus dem einzigen Grund, dass sie verhindern wollte, dass so etwas noch einmal geschah. Und das würde es jetzt nicht mehr. Der Vater von Apple würde nie wieder jemandem etwas antun können, aber obwohl sich das Handy mit all den schrecklichen Bildern so schwer in meinen Fingern anfühlte und ich es eigentlich nur loswerden wollte, legte ich es ganz langsam neben mir auf dem Sitz ab und nutzte die dadurch frei gewordene Hand, um mir fest über die Brust zu reiben, dann über den Hals, an meinem Ohr entlang bis zur Schläfe und über die Stirn. Hilflos und überfordert fühlte ich mich, machtlos gegenüber dieser Grausamkeit, die Chris verkörperte, und davor, dass ich Apple diesen Schmerz nicht nehmen konnte - die Enttäuschung, dass der Mann, den sie so geliebt hatte, ein Monster war - aber ich konnte ihr etwas anderes nehmen. Ich konnte ihr das Gefühl nehmen, dass derselbe Hass auch in ihr existierte. "Du bist nicht- wie dein Vater, Apple." Rau klang meine Stimme zu Beginn, aber mit jedem Wort wurde sie fester und sicherer. "Du bist nicht Schuld daran, dass es passiert ist, und du wirst- nie so sein. Ich kenne dich. Du bist so nicht." Ich hing mit den Augen an ihrem verzweifelten, verweinten Gesicht fest und schüttelte langsam, aber bestimmt, den Kopf. "Deshalb bin ich auch hier. Weil ich dich verletzt hab, mit meinen Worten, und weil du es nicht verdienst so verletzt zu werden. Ich bin- so dankbar für den Tag, an dem ich dich kennen gelernt hab, Apple, warum siehst du das nicht?" Noch einmal rieb ich mir mit den flachen Händen über mein Gesicht, zog sich durch die Haare bis in meinen Nacken, aber stand dann kopfschüttelnd auf und setzte mich stattdessen neben sie. So dicht, dass unsere Körper sich seitlich berührten, aber auch meine äußere Hand streckte ich zu ihr, legte sie um ihren Oberarm und streichelte mit dem Daumen behutsam über den dicken Stoff des Pullovers, den sie trug. "Es tut mir Leid, dass dein Vater nicht der sein konnte, für den du ihn gehalten hast. Ich weiß wie wichtig er dir war und was du alles für ihn getan und auf dich genommen hättest und- und ich wünschte er hätte dich nicht so enttäuscht. Du hast ein gutes Herz, ehrlich, und du hast nicht verdient, dass das mit dir passiert." RE: CENTRAL STATION - Apple Jean White - 19.08.2016 02:02 Obwohl da eigentlich keine Lügen mehr zwischen den beiden standen, konnte Apple einfach nicht das in sich sehen, was Noah in ihr sah. Sie konnte nicht sehen, dass sie immer so gehandelt hatte, wie es passiert war, um sich selbst am Leben zu erhalten oder um Chris nicht zu verlieren, weil das gut war und ein Instinkt sondern nun sah sie viel eher, sie war genauso wie ihr Vater. „ Ich habe dich belogen, nicht nur ein mal Noah sondern schon... so oft und ich wollte ihm helfen, nicht dafür Verurteilt zu werden, was er schlimmes verbrochen hat. Außerdem hat Haily mich besucht... sie war doch meine erste... einzige... richtige Freundin nach so langer Zeit und ich hab sie... ihm... wegen mir war sie doch nur da und deswegen konnte das passieren. Ich bin Egoistisch und jetzt? Jetzt wünschte ich mir nicht, er wäre Tod – dabei ist es das einzig richtige...“ Das war so schmerzvoll laut Auszusprechen, dass sie Schluchzend aus dem Fenster schaute. „...ich wünschte ich wäre ihm nie vor sein Auto gelaufen. Nie. Ich habe schon so viel mehr, schlimme Dinge in meinem Leben getan, du weißt ja gar nicht was du da sagst... das kommt aus keinem guten Herzen. Ich habe Männer erpresst, ich habe sie ausgeraubt, ich habe gestohlen und manipuliert...“ Sie brachte es nicht fertig zu sagen, dass sie auch für den Tod eines Menschen verantwortlich gewesen war – nur um Chris für sich allein zu haben, das schaffte sie nicht. „...und jetzt sehe ich das... das habe ich... ich werde genauso wie er werden. Du musst dich nicht Entschuldigen, ich habe das genau so verdient, wie du es gesagt hast. Etwas anderes habe ich nicht verdient. Alles was passiert ist, habe ich verdient – und ich hoffe so sehr, dass es als Strafe reicht – so ein schlimmer Mensch gewesen zu sein.“ Und erneut hielt sie den Handballen gegen ihren Nasenrücken, weil das so in ihrem Herzen schmerzte, dass zu erkennen, dass es ihren ganzen Körper einnahm. Apple hatte sich schon lange nicht mehr an den Glauben erinnert, mit dem sie eigentlich erzogen wurde aber auf einmal war das da, die Werte, die ihre erlogenen Eltern ihr mitgegeben hatten. Das es da eine Hölle gab für die Menschen, die auf der Welt so fürchterliche Dinge taten. Noah sollte nur gar nicht dazu kommen, so lange zu warten, bis sie sich wieder beruhigt hatte. Es gab wohl auch nichts, was ihr Momentan helfen konnte, außer die Zeit und es blieb zu hoffen, dass irgendwann die Wunden verheilen würden was aber schier unmöglich war, wenn man sich den Lebenslauf der gerade einmal siebzehnjährigen ansah. Es war ganz natürlich, dass sie sich mit Chris verglich und wie sie sich die Schuld gab und nach noch mehr Schuld suchte. Noahs Berührungen waren schön aber mit welchem Recht saß sie hier, sich das Leid mindern zu lassen? Seine Worte schafften es auch kaum zu ihr. Dafür war das alles zu frisch. Es riss sie etwas anderes aus ihrem Zustand, denn mit einem Mal öffnete sich die Tür, nachdem Noah ihr etwas Zeit eingeräumt hatte, sich zu fassen und da stand ein Kontrolleur. In Noahs Gesicht sah sie, dass er keine Karte hatte und verweint sagte sie dem Zugbegleiter, sie würden nach den beiden Tickets suchen, er solle sich einen Moment gedulden. Während sie Noah kurz Ratlos ansah, spielte, erstaunlicherweise habe sie keines – sah die fremde Person auf den jungen Mann und nicht mehr auf die junge Frau und das nutzte sie auch aus, um die Notbremse zu ziehen. Danach ergriff sie binnen Sekunden die Hand von Noah, riss ihn eilig mit sich, als sie mit der Schulter den Mann aus der Tür stieß. „ Komm schnell.“ An einer der S.O.S Säulen kam nämlich die Rückversicherung ob es sich um einen wirklichen Notfall handelte und sie rief einfach nur „ Feuer – hier brennt es.“ in die Gegensprechanlage und löste damit allem Anschein nach auch Panik bei dem Fahrer aus. Die Türen waren vielleicht freigegeben, vielleicht aber auch nicht und weil sie das nicht checken wollte oder manuell aufdrücken, griff sie in der Panik nach einem dieser Hammer um die Türe zu zerstören und durch das Glas zu klettern. So viel Fluchtinstinkt hatte sie, nicht einmal die scharfen Glasrückstände zu fürchten, als sie durch das Loch kletterte und auch auf die Scherben darunter sprang. Der Adrenalin Rausch sorgte dafür, dass sie alles um sich herum vergaß – nur Noah nicht, den sie immer wieder dazu aufforderte, sich zu beeilen oder schneller zu sein. |