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RE: MIAMI - Gus Evans - 05.11.2015 19:22 Egal wie Jamie auch versuchte ihr Verhalten zu erklären, ich konnte ihre Wut über meine Aktion tatsächlich nicht nachvollziehen. Und ich konnte auch nicht nachvollziehen, weshalb sie ihre Eltern noch liebte, trotz allem, was sie ihr angetan hatten, das war bei mir doch auch nicht so. Jetzt, wo ich wusste was damals geschehen war, hatte ich absolut kein Interesse mehr daran jemanden aus meiner Familie zu treffen, auch nicht meine Schwester oder meinen Bruder. Aber als sie dann ein Beispiel anbrachte, zu dem ich irgendwie Bezug finden konnte, sah ich ihr von der Seite in die Augen und nickte endlich langsam. Hunde liebten ihre Herrchen, auch dann noch, wenn sie nicht gut zu ihren Vierbeinern waren. Sie würden alles für ihren Besitzer tun. Bei Jamie war es also mit ihren Eltern ähnlich. Sie wurde auch ausgesetzt, anstatt freiwillig zu gehen. Und sie hatte man auch unfair behandelt, aber das änderte nichts an der Liebe, die sie zu ihrer Mutter und zu ihrem Vater empfand. Und genau deshalb war sie auch so wütend auf mich: Weil ich damit indirekt ihrer Mutter geschadet hatte und ja, eventuell auch deshalb, weil Jamie sich lieber anders von der Frau verabschiedet hätte, die sie zur Welt gebracht hatte. Betreten sah ich auf den Boden, denn auch das war etwas, mit dem ich erst einmal fertig werden musste: Die Gewissheit jemanden enttäuscht zu haben, den man eigentlich unter keinen Umständen enttäuschen wollte. Und zu allem Überfluss war das noch nicht einmal alles. Darüber hinaus musste ich mir auch erneut anhören, wie sehr Jamie in den letzten Wochen leiden musste und wie sauer sie noch immer über mein feiges Verschwinden war. Verdammt, es war so viel einfacher gewesen, als ich sonst niemandem einen Platz in meinem Leben eingeräumt hatte, außer mir selber und den Tieren, die ich so liebte. Da gab es niemanden, den ich wirklich verletzen konnte. Da lief alles genau so wie ich es wollte, ich hatte nie mit solchen Konsequenzen umgehen müssen, aber deshalb schaffte ich es auch nicht Jamies Wut in Relation zu sehen. Ja, sie war wütend, aber das hieß doch nicht, dass ich meinen Fehler nicht wieder gut machen konnte. Eigentlich. In meinem Kopf tat es das schon, denn diese Ablehnung in ihrer Stimme, das war auch etwas so Neues für mich, dass ich meinen Kopf nur noch mehr sinken ließ und mich innerlich mit dem Gedanken anfreundete, dass Jamie mich jetzt nie wieder mögen würde. "Es tut mir Leid", wiederholte ich noch einmal die Worte, die ich jetzt schon viel zu oft in den Mund nehmen musste, vollkommen hoffnungslos allerdings. "Ich wollte dich nicht verletzen. Entschuldige." Mehr sprach ich gar nicht aus, stattdessen verschränkte ich die Arme vor der Brust und lief in etwas Abstand neben Jamie her. Besonders weit kamen wir jedoch nicht, bevor Jamie sagte sie müsste mal zur Toilette gehen und dafür in einem typisch amerikanischen Diner verschwand, das rund um die Uhr geöffnet hatte. Und bei mir passierte wieder so etwas wie ein Kurzschluss. Sie mochte mich nicht mehr, also warum sollte ich sie noch länger mit meiner Anwesenheit quälen? Wäre es nicht für alle viel einfacher, wenn ich einfach gehen würde? Matt könnte ihr den Flug nach Los Angeles bezahlen, ich könnte aus ihrem Leben verschwinden und alles wäre wieder gut. Oder? In meinem Kopf ergab das so viel Sinn, dass ich im Diner eilig um einen Zettel und einen Stift bat und eine kurze Nachricht für Jamie hinterließ: Ich wollte nie schlecht für dich sein, es tut mir Leid. Ich glaube du bist besser dran, wenn ich nicht mehr alles durcheinander bringe. Ruf Matt an, er streckt dir das Geld für dein Flugticket vor. Leb wohl, Gus. Das war alles, was ich darauf notierte, bevor ich es der Kellnerin entgegen hielt und sie bat das Papier dem Mädchen in die Hand zu drücken, das gleich von der Toilette kommen würde. Dass ich damit den selben Fehler noch ein drittes Mal beging und dass ich Jamie noch ein drittes Mal ohne Entschuldigung zurückließ, das lag mir vollkommen fern, als ich durch die Tür nach draußen verschwand und schnellen Schrittes die Straße herunter lief, ohne mich noch einmal nach ihr umzudrehen. |