LOS ANGELES # SAN FRANCISCO
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RE: HAILY - Haily Stone - 19.09.2015 20:59

Haily dachte kurz nach „ Also ich wäre dann doch eher die Katzen-Frau. Ich mag mich nicht an einen bestimmten Menschen hängen, nicht weil es ein Schuss in den Ofen werden kann wenn er sich nicht mehr für mich Interessiert – das kommt vor. Einfach weil ich – unschwer Einzuschätzen – nicht gerne alleine bin. Dann lieber wie eine schlampige Katze von jedem Essen, Trinken, ein Heim und Streicheleinheiten abgreifen, der sie mir geben will.“ Sie musste Lachen weil das so wenig ihrem Liebenswerten Wesen entsprach aber auch einfach passte wie die Faust aufs Auge. Wie oft in ihrem Leben sie sich Verhalten hatte wie eine Katze, dass ließ sich nicht an beiden Händen abzählen. „ Durchschnurren und Durchschnorren bekommen hier noch ganz neue Bedeutungen.“ Von dem Joint wurden ihre Gedanken ganz komisch aber sie selber konnte zumindest herzlich darüber Lachen. „ Schade, dass ich es nicht mitbekommen werde aber ich würde gerne sehen, was so für ein Hund an deiner Seite landen würde und auch was er für komische Eigenarten hat. Vielleicht wird er zum Killer für dich...“ Mutmaßte sie einfach mal ins blaue hinein, während sie ihn mit Schräg liegendem Kopf ansah „... außerdem dachte ich gerade das Hunde ihrem Besitzer immer Ähneln.“ auch das entlockte ihr ein neues, helles Lachen. Ein Hund, der aussah wie Gus. Interessant.
Trotzdem hatte sie bei all den unnötigen Kommentaren nicht vergessen, was ihr eigentlicher Plan war. Zu Anfang schien er Überfordert und wollte nur, dass sie sich schnell wieder anzog. Dann hinterfragte er ihre Absichten und Haily schüttelte den Kopf als hätte er etwas unglaublich Dummes gesagt. „ Menschen sind einfach nur Meister darin, sich das Leben so viel komplizierter zu machen, als es eigentlich ist. Gerade wenn es um die Beziehung zu anderen geht. Ich kenne dich nicht und ich darf mir auch kein Urteil über dich bilden oder diese... fast – nie – vielleicht – aber doch Beziehung aber man sieht dir an, dich Beschäftigt das. Ich mag Glücklich sein viel zu sehr als so eine Unausgesprochene Sache dafür Sorgen zu lassen, dass ich mir den Kopf zerbreche.“ Aber sie sagte extra, so war sie, denn jeder Mensch benahm sich da anders und das war ja auch gut und schön so. „ Ich hoffe nur, du wirst es nicht bereuen, und feststellen, einen Fehler gemacht zu haben, wenn du in Alaska angekommen bist – musst den ganzen Weg wieder zurück. Um dann festzustellen, sie hat vielleicht bis dahin einen anderen. Mit dem ihre ersten Erfahrungen geteilt. Denn die kannst du ihr dann nicht schenken oder die Erinnerung Auslöschen.“ Haily legte da keine Wertung in ihre Worte, sie sprach ganz ruhig nur Eventualitäten aus. Sie ging nicht davon aus, es war richtig vor seinen Gefühlen in den Norden zu fliehen aber er war Alt genug.“ Jeder muss Wissen, was er tut.“ schloss sie zumindest für sich um ihn danach wieder mit angezogener Augenbraue anzuschauen. „ Also doch? Wenigstens habe ich nun eine Erlaubnis! Ich freue mich.“ Auch wenn Haily nicht das Trostpflaster sein wollte, ihrer Haut fehlte so sehr die Berührung. Genüsslich summte sie, als er ihren Oberkörper mit den Fingern hinab glitt. Noch so eine Taktik, die jeden Mann meistens mit der Phantasie abdriften ließ – sie beugte sich vor zu ihm und begann von der Mitte seiner Brust abwärts seinen Oberkörper zu Küssen. Das Shirt hatte sie ihm zuvor mit einem sanften Griff um den Saum nach oben geschoben. Inmitten seiner Hüftknochen stoppte sie und die Zunge der jungen Frau fuhr einmal über seinen Bauch. Ihren Po hatte sie dabei mit Absicht etwas nach oben gestreckt umso tiefer sie ging, um ihm einen perfekten Blick darauf zu gewähren. Wenn sie nur ahnen würde, dass sie genau das gerade mit ihrem Bruder tat. Nur Gus konnte sich nicht an die Kette um ihren Hals, so wie an nichts aus der gemeinsamen Vergangenheit, erinnern und Haily wurde auch nicht schlau daraus, wie Bekannt ihr seine Augen waren. Das sie genau so wie ihre eigenen Aussahen. Doch die Blondine hatte keinen blassen Schimmer, richtete sich ihm Gegenüber wieder auf und begann überaus zärtlich die Seiten seines Halses im Zick-Zack Muster nachzumalen. „ Ich mag deine Haut.“ hauchte sie ihm nahe gegen seine Lippen. Haily hatte aber Köpfchen genug, ein paar Zentimeter Abstand zwischen den Mündern zu lassen. Wie sie eben an seiner Shorts gestoppt hatte, wollte sie auch hier keine Grenzen überschreiten.


RE: HAILY - Gus Evans - 20.09.2015 15:39

Unsicher hob ich den Blick direkt in Hailys Augen, zog meine Stirn dabei zusammen, aber sagte kein Wort. Das war keine Provokation, was sie da sagte. Es lag auch absolut keine Wertung darin. Aber trotzdem traf sie mich damit genau dort, wo sie mich treffen musste. Was, wenn diese Eventualitäten wirklich eintraten? Was, wenn ich meine Flucht tatsächlich bereuen würde? Wenn Jamie einen anderen Mann fand? Das hatte sie beim letzten Mal doch auch. Ich spürte ganz deutlich, wie viel besser es mir gehen würde, wenn ich jetzt bei ihr sein könnte, aber auch darum ging es nicht. Natürlich würde es mir jetzt besser gehen, aber ich musste langfristig darüber nachdenken. Könnte ich jemals wirklich glücklich werden mit ihr? Hatte ich nicht eigentlich in den letzten Tagen gemerkt, dass ich nicht dafür gemacht war? Für eine Beziehung, ein Familienleben wie das mit Matt und Madison, für diese Normalität? Das war nicht mein Leben, das war es nie gewesen, das war nicht Ich und wenn ich nicht jetzt gehen würde, dann vielleicht in ein paar Wochen, Monaten, vielleicht auch Jahren. Spätestens mit 27. Ich konnte und wollte mich nicht an jemand Anderen binden und dass mir sogar mein Körper, unabhängig von meinem bewussten Willen, genau das Gleiche vermittelte, war das nicht Beweis genug, dass ich mich damit in etwas hinein stürzte, dem ich nicht gewachsen war?
Ich glaubte allerdings, dass Haily das nicht verstehen könnte, wenn ich versuchen würde es ihr zu erklären. Wahrscheinlich würde sie mir nur erneut sagen, dass ich mir selber mein Leben viel zu kompliziert machte, aber das war es auch nicht. Ich hatte mich nie selber dazu entschieden so anders und so kompliziert zu sein, verdammt. Ich war einfach so. Wie gerne ich wüsste, woher das kam, aber das führte mich wieder zu dem größten Problem, das ich mit mir selber hatte: Ich wusste nicht, wer ich war. Und das würde immer so bleiben. Dachte ich zumindest. Anstatt mich all diesen Fragen auszuliefern und eine Diskussion mit Haily zu beginnen, die völlig aussichtslos war, gab ich mich ihr und ihrem Körper lieber völlig hin. Ich genoss es, wie sie mich berührte, wie sie ihre Hände und ihre Lippen über meine Haut gleiten ließ, wie ich mich unter ihr anspannte und dann wieder entspannte, mein Herz schneller schlug und sich eine warme, kribbelnde Lust in meinem Unterleib ausbreitete. Genau dieses Gefühl war so erleichternd, dass ich mich ihr fast schon sehnsüchtig näherte und meine Lippen auf ihre drückte, als sie sich vor mir wieder aufrichtete. Immer weiter lehnte ich mich in ihre Richtung, hob erneut eine Hand an ihren Hals, streichelte über ihre warme Haut, ließ meine Finger auf ihre Brüste sinken und kitzelte sie mit meiner Körperwärme, die sich auf Haily übertrug. Wie gut es sich anfühlte ihre Lippen zu küssen. Ganz anders, als die von Jamie. Ohne Druck, ohne Verpflichtungen, ohne Verantwortung. So frei und losgelöst. Mit weniger Emotionen auch, natürlich, dadurch auch weniger gefühlvoll, aber jetzt gerade wusste ich auch nicht, wie sehr ich die Lippen von Jamie noch vermissen würde. Und dieses vertraute Gefühl, das ihre Berührungen und ihre Küsse immer in mir ausgelöst hatten. Jetzt gerade schien das hier viel eher das zu sein, was ich brauchte und deshalb legte ich auch meinen Kopf zur Seite und küsste statt ihren Lippen ihren Hals, die Stelle unter ihrem Ohrläppchen, ihre Schulter. Dabei zog ich meine Hand bis auf ihren Oberschenkel, drückte meine Finger sanft in ihr Fleisch und atmete tief den verführerischen, weiblichen Geruch ihrer Haut ein. Bis ich inne hielt.
Gerade wollte ich meinen Kopf von rechts nach links legen, um die andere Seite ihres Halses zu küssen, als mein Blick an ihrer Kette hängen blieb und ein absurdes Gefühl mich durchzog. Vorher hatte ich dem Anhänger keinerlei Beachtung geschenkt, es war schließlich nur Schmuck, den sie da trug, aber auf einmal passierte etwas in mir. Auf einmal spannte sich mein Körper an. So als würde diese Kette irgendetwas in mir hervorrufen, dem ich selber nicht ganz bewusst war. Aber das war so verrückt, dass ich letztendlich für mich selber den Kopf schüttelte und mich lieber wieder ihrer anziehenden Haut hingab.


RE: HAILY - Haily Stone - 20.09.2015 17:08

Gus schien sich mit ihren Worten nicht weiter auseinander setzen zu wollen, das war auch vollkommen in Ordnung und Haily würde das nie erzwingen. Es war sein Leben und er traf die Entscheidungen darin, auch wenn man seine Meinung äußerte konnte die nicht auf einmal für den anderen die richtige sein. Die Gedankengänge und auch die Erlebnisse der Menschen waren zu Individuell. Für sie hieß das einfach nur, dass sie sich weiter über seine Anwesenheit und Nähe freuen dürfte, dass sie eben nicht alleine war. Denn wenigstens schien er kein Problem mit seiner Erregung zu haben, spätestens nachdem sie sich Aufgerichtet hatte und ihm wieder Näher kam, war das für sie deutlich zu spüren. Also musste es ja was mit den Gefühlen für dieses andere Mädchen zu tun haben, im inneren Entwickelte Haily wirklich etwas wie Mitleid für dieses fremde Mädchen, das Sicher nicht wusste, dass so was passieren konnte – wenn sie so wenig Erfahrungen mit Männern hatte. Das obwohl es sie nichts anging oder sie je in die Augen von Jamie gesehen hatte. So war das näher kommen zu Gus noch etwas schwerer, vielleicht hätte sie darüber hinweg gesehen ein Trostpflaster zu sein aber sie Verstand seine Taten so wenig genauso wie, dass er bereit war seine ja – oder auch nein – Freundin so zu Verletzten. Zwar genoss die Blondine die Küsse, auch die Körperwärme und seine Berührungen aber in ihrem Herzen war sie sich der Sache nicht ganz Sicher. Noch weniger als Gus bei der Kette halt machte, die sie sofort mit ihren Fingern umgriff. Für Haily war das ein großer Schatz und viele gute Dinge, die ihr im bisherigen Leben passiert waren, schrieb sie diesem Glücksbringer zu. Das alles war dann der Grund, weshalb sie sich zwar bis zu ihrem Bauchnabel von ihm mit liebevollen Küssen ließ, ab da aber sein Kinn behutsam umschloss und sein Gesicht zu ihr hoch zog. Mit einem Lächeln schob sie ihn um, legte sich lieber an seine Brust und berührte mit ihren Lippen seine Wange, seine Schläfe und seine Lippen. Ihre Finger zeichneten dabei seine Körperformen nach. Haily würde ihm ehrlich Antworten, wenn er sie fragte, warum sie das ganze Abblockte aber sonst würde er nun ihre Stumme Entscheidung akzeptieren müssen. Er war mit sich ganz und gar nicht im reinen und das Übertrug sich auf die so fein fühlende Person. Lieber drehte sie den beiden noch einen Joint, rauchte ihn mit Gus um dann mit dem Kopf an seinem Oberarm einzuschlafen. Es war nicht weniger schön, Gesellschaft zu haben, auch ohne den Sex, gerade weil sie sich zu diesem Menschen, so wie selten zuvor, hingezogen fühlte. So sehr, dass sie sogar beim einschlafen darüber Grübelte, ihn ein Stück in den Norden zu Begleiten, wenn er wollte.
Eigentlich wollte sie ihm am nächsten Tag den Vorschlag machen, als Haily aber ihre Augen öffnete, da schlief er noch und sie zog sich ein Shirt über und ging in die Küche. Sie Begrüßte die Mitbewohner, die verkatert da herum saßen – es kamen welche von der Party gerade erst nach Hause, andere arbeiteten gleich und wieder andere planten was ganz anderes. Es herrschte reges Treiben, weil das Haus ja auch noch voll Besuch war. Sie erzählte dem Rest, der neue wäre bei ihr im Zimmer und noch nicht los – es gab ja auch welche, die Gus noch kannten und der ein oder andere Lacher kam dabei herum. Was wenig schlimm war, denn auch sie lachte nur mit, heute war ein schöner Tag und es gab keinen Grund dazu, beleidigt zu sein.
Trotzdem packte sie zwei Brötchen zusammen, die einer der Runde spendiert hatte und weil sie mehr nicht hatte Marmelade und Käse. Beides Containert, vielleicht würde er das Essen – als sie sich nämlich Milch in den eigenen Kaffee kippte, belehrte sie jemand, dass sie bei Gus lieber auf die Sojamilch eines anderen zurück griff. Mit viel Akrobatik schaffte sie es in ihr Zimmer, stieß Gus dann mit dem Fuß an und setze sich ihm Gegenüber auf den Boden. „ Dachte ich wecke dich mal, da unten brechen gleich ein paar Leute auf, eventuell hat ja einer deinen Weg? Kaffee ist mit Sojamilch und Käse containert, wenn du noch was zu Essen mit nehmen willst oder so – in der Küche ist noch was. Oder wolltest du doch noch nicht los?“ Auch wenn seine Augen noch ganz klein waren, ihren Redeschwall konnte nur Unterbrechen, dass sie die Kaffeetasse umschloss um zu trinken. Durchgehend Lächelte sie, auch, als es an ihrer Tür klopfte. Egal ob jemand was von ihr oder Gus wollte, richtete sie den Kopf auf und rief freundlich „ Hereinspaziert.“ gegen die Tür. Ein fremder Mann betrat das Zimmer, weshalb sie den Kopf schief legte. Wer war denn das? Sie musterte ihn Neugierig – Chas konnte sie nicht so Zuordnen, fühlte sich ihm gar nicht Verbunden wie Gus gestern, denn dieser Mensch da hatte so eine bitter ernste Miene. „ Hallo, mein Name ist Haily. Willst du was von mir oder...“ sie drehte sich zu Gus „... ist das dein Besuch?“ Als der fremde Mann sie bat, die beiden alleine zu lassen, hob sie die Augenbrauen. " Naaaa gut." sie erhob sich vom Frühstück und zog sich das Shirt über den Kopf, warf es Gus zu. Der fremde hatte sicher schon eine Frau mit weniger an als eine Unterhose gesehen - er schien alt genug. Sie wusste nicht ob Gus es lieber war, angezogen zu sein. Ohne Eile nahm sie sich ein Top was sie dann über den entblößten Oberkörper zog, zumindest reichte es für die Gesellschaftliche Norm Stoff über der Haut zu tragen - wenn auch nicht ganz blickdicht. Danach sah sie noch mal zu beiden " Macht mir nix kaputt." feixte sie, trotz der ernsten Miene des Fremden und ballte sogar eine Faust um ihn behutsam von der Seite anzustoßen. Er hatte eine komische Aura, so kalt und zeitgleich so warm.


RE: HAILY - Charles Thompson - 20.09.2015 21:59

Nach Summers Nachricht am gestrigen Abend hatte ich tatsächlich innerhalb weniger Minuten entschieden, dass ich noch in dieser Nacht nach San Francisco fahren und Gus suchen würde. Hauptsächlich deshalb, weil ich schon nach wenigen Stunden alleine in diesem kleinen Motelzimmer kurz davor war völlig durchzudrehen, aber auch, weil ich mehr denn je spürte, dass es an der Zeit war mit ihm zu reden. Er war doch im Moment so greifbar nah. Scheiße, vor wenigen Tagen hatte ich ihm zu ersten Mal seit 19 Jahren sogar in die Augen gesehen, würde ich jemals wieder die Chance dazu bekommen? Diese Schussverletzung in meiner Brust spielte da ebenfalls eine nicht ganz unbedeutende Rolle, denn dieser Schmerz führte mir mal wieder vor Augen, wie leicht es war ein Leben auszulöschen. Brooke hätte nur ein paar Zentimeter tiefer auf mich schießen müssen und ich würde nie wieder die Chance bekommen mit meinem Bruder zu reden. Das waren allerdings Dinge, die ich ausschließlich mit mir selber ausmachte, und als ich meinen Bekannten in Los Angeles anrief, um nach seiner Hilfe zu bitten, erwähnte ich davon auch kein Wort. Ich sagte ihm bloß, dass ich nach San Francisco musste, heute Nacht noch, dass ich unfähig war selber zu fahren, dass er das übernehmen musste und dass er mein Auto sowie den Schlüssel bei einer Freundin abholen sollte. Seitdem Brooke auf mich geschossen hatte, musste er zumindest nicht mehr fürchten von ihr beschattet zu werden, und sagte deshalb auch bereitwillig zu.
Etwa drei Stunden später, mitten in der Nacht, sah ich die Scheinwerfer eines Wagens durch die Gardine hindurch. Ich saß schon mit einer gepackten Tasche auf dem Bett, stand sofort auf, schob den Zimmerschlüssel in meine Jacke und ging nach draußen, um mich in meinem geliebten Auto umständlich und mit Schmerzen in der Brust auf den Beifahrersitz sinken zu lassen. Er wusste, dass ich keine Fragen von ihm duldete und dass ich sie vor allem nicht beantworten würde, deshalb schwiegen wir fast den kompletten Weg nach San Francisco, ließen nur Musik aus dem Radio dröhnen. Es war früher Morgen, als wir im Außenbezirk der Stadt ein Frühstücksrestaurant anfuhren, in dem wir einen Kaffee tranken und einen Toast zum Frühstück aßen, einfach weil es noch zu früh war, um an einem fremden Haus zu klopfen und dort nach meinem Bruder zu fragen, aber nach nicht einmal einer halben Stunde hielt ich es nicht länger aus und wir steuerten doch auf die Adresse zu, die Summer mir gegeben hatte. Ich bat meinen Bekannten das Auto am Straßenrand zu parken und darin zu warten, bis ich wieder da war, was er auch bereitwillig und ohne Widerworte tat.
Äußerlich war ich vollkommen ruhig und gefasst, als ich an die schwere Holztür klopfte, weil ich merkte, dass die Klingel nicht mehr funktionierte, aber innerlich passierte diesmal ausnahmsweise etwas mit mir. Ich war tatsächlich nervös. Und das sollte sich auch nicht legen, als eine junge Frau die Tür öffnete, ich ihr sagte, dass ich nach Gus suchen würde, die Tätowierungen in seinem Gesicht noch einmal beschrieb und sie dann eifrig nickte. Er war tatsächlich hier. Zumindest gestern sei er das noch gewesen. Weil sie selber jedoch keine Ahnung hatte, wo er sich gerade befand, nahm sie mich kurzerhand mit in die Küche, fragte dort laut in die Runde und bekam von mehreren Seiten die Antwort, dass er bei Haily im Zimmer schlafen würde. Haily. Seine Schwester hieß ebenfalls Haily, was für ein absurder Zufall. Zu dem Zeitpunkt hatte ich aber auch noch keine Ahnung, wie absurd es tatsächlich noch werden würde.
Das junge Mädchen verwies mich auf eine Tür im dritten Stock, sagte mir ich solle einfach anklopfen, ich bedankte mich nickend bei ihr und lief dann nach oben, um an der besagten Tür genau das zutun und direkt eine freundliche Einladung zu erhalten. Von dieser Haily wahrscheinlich, die überraschenderweise durchaus attraktiv war. Anders, als dieses andere Mädchen mit ihren verfilzten, in Dreadlocks gedrehten Haaren, in bunter Kleidung, die so weit war, dass man darin drei Personen unterbringen konnte. Scheiß Ökos. Doch Hailys Attraktivität war nicht das Einzige, was meine Aufmerksamkeit auf sich zog, sondern zusätzlich auch die verblüffende Ähnlichkeit zu meinem Bruder, der noch völlig verschlafen zu mir aufsah. Diese Nase und die Lippen, es war fast so, als wären die beiden wie aus einem Gesicht geschnitten, aber ich war innerlich so aufgeregt, dass mir der Zusammenhang nicht klar wurde, als ich sagte, dass ich hier war, um mit Gus zu sprechen und ob es in Ordnung wäre unter vier Augen mit ihm zu reden. Seinem Blick nach zu urteilen hatte er keinen blassen Schimmer, wer ich war und was ich von ihm wollte. Und um ehrlich zu sein vergaß ich das selber für einen Moment, als das blonde Mädchen aufstand und ohne zu Zögern ihr T-Shirt auszog, das sie kurz darauf Gus reichte, der sich gerade ebenfalls im Bett aufsetzte. Dass ich so erschrocken auf ihre Brust starrte hatte jedoch weniger mit ihrem nackten Oberkörper zutun, sondern lag viel eher an der Kette, die sie trug. Daran hing eine Muschel, wie man sie überall an den Küsten des Landes fand, aber diese war bemalt. Ein wunderschöner, farbenfroher Sonnenaufgang war darauf zu sehen und ein dunkler Leuchtturm. Eine Szenerie, die ich in meiner Kindheit tausend Mal gesehen hatte, weil dies das liebste Motiv meiner Mutter gewesen war, die in ihrer Freizeit Muscheln bemalte, die wir am Strand in der Nähe unseres Hauses fanden. Es hatte sie immer beruhigt diese filigranen Bilder zu malen und ich wusste auch noch, dass gerade Gus - damals noch William - immer so begeistert davon gewesen war. Er konnte stundenlang neben ihr sitzen und einfach dabei zusehen, wie sie den feinen Pinsel präzise über die Rillen zog. Und auf einmal verstand ich den Zusammenhang.
Gus und Haily sahen mich mit demselben verwirrten Blick an, als ich so auf die Brust meiner Schwester starrte, die eigentlich schon längst mit einem nicht ganz blickdichten Top bedeckt war, und in dem Moment blieb tatsächlich kein Zweifel mehr. Das wären zu viele Zufälle auf einmal. Doch das ließ mich mit einer anderen Frage zurück: Was machte Gus hier? Und warum wechselte Haily so völlig ohne Schamgefühl vor ihm sein T-Shirt? "Wisst ihr- wer ihr seit?", fragte ich, ausnahmsweise von der Situation so überfordert, dass es mir tatsächlich schwer fiel einen richtigen Satz zu formulieren. Etwas, das eigentlich nie vorkam. "Seit ihr in Kontakt geblieben oder- wie habt ihr euch gefunden?" Weil die beiden Zwillinge mich auf einmal nur noch verwirrter ansahen, schüttelte ich den Kopf und versuchte es anders. "Ich bin Charles. Chas. Euer Bruder." Ich hatte ja keine Ahnung, dass die Erinnerung von Gus völlig ausgelöscht war und dass er sich auch nicht durch die Muschel an Hailys Hals an seine Schwester erinnern könnte.


RE: HAILY - Haily Stone - 20.09.2015 22:55

Als der fremde Mann so erschrocken auf ihre Brüste starrte, sah Haily ein bisschen Überrascht zu ihm aber dann musste sie Lachen. „ Du siehst ja echt nicht danach aus – aber man sollte ja auch nicht immer nach Äußerlichkeiten gehen und so - wenn du irgendein Zölibat abgelegt hast oder enthaltsam Lebst, gewollt oder ungewollt, tut mir der Schock leid. Bin noch nicht so lange auf den Beinen.“ Ja Haily war doch immer so Tolerant und nun zog sie diese Tatsache nicht in Erwägung? Schämen sollte sie sich. Immerhin wollte sie den beiden gerade ihr Zimmer überlassen und verschränkte mit Absicht die Arme über der Brust, um den fremden Menschen nicht noch mehr zu Verunsichern als er wieder was komisches von sich gab. Wer war denn das? Hatten die anderen Mitbewohner sich einen Spaß mit Haily und ihrem Besuch über die Nacht gemacht? Wieder lachte sie auf „ Haben die anderen dich hier hoch geschickt um deinen schlechten Trip von der Party auszuleben? Du kannst dich ruhig setzen, mach es dir bequem, ich opfere sogar mein Frühstück für dich.“ Sie ging ehrlich davon aus, dass sein zusammenhangloser Wortsalat davon ausging, er habe zu viel Konsumiert. Wer sonst würde so komisch danach fragen, ob man selber wusste, wer man war – es sei denn LSD oder Ketamin oder was auch immer war im Spiel. Lieber strich sie ihm einmal Mitfühlend über die Schulter „ Das ist uns allen doch schon mal passiert.“ Was danach an Fragen seinen Mund verließ, überging sie ebenso. Vielleicht hatte er auch Wahnvorstellungen, der Arme. Deswegen dachte er vielleicht auch, Gus wäre jemand, mit dem er was zu Klären hatte und das war gar nicht so. Möglich, dass sie die beiden doch besser nicht zusammen in ihrem Zimmer alleine lassen sollte. Eigentlich war Haily also gerade dabei, ihn Behutsam zum Bett zu schieben, auf dem Gus noch immer saß und behandelte ihn dabei so Liebevoll wie jeden anderen Menschen auch, bei dem sie davon ausging, er bräuchte vielleicht Hilfe. „ Nein, nein – wir Wissen wer wir sind. Wir sind Haily und Gus und wir haben uns gestern kennen gelernt und weil ich nicht gern alleine Schlafe, hab ich ihn eingeladen, hier zu schlafen.“ Erklärte sie ihm sachlich, wer die beiden waren und das es da nichts an vorherigem Kontakt gab oder das sie hatte diesen Jungen finden müssen. Vielleicht hatte das auch was mit seinen Gelöbnissen zu tun, das ihm Mann und Frau im Bett zusammen nicht geläufig waren, die waren ja auch irgendwie nicht ganz richtig im Kopf. Trotzdem, jeder verdiente Toleranz. Bis er etwas sagte, was sogar dieses friedliebende Fabelwesen erschütterte und einen Schritt stolperte sie nach hinten. Absolut verstört sah sie Chas ins Gesicht – was sagte er da? Woher wusste er? Wer war dieser Mensch? Sie umfasste die Muschel an ihrem Hals. Das war der Grund, warum er sie so angestarrt hatte, oder? Wenn er es wirklich war, dann wusste er, was es mit diesem Schmuckstück auf sich hatte – das eigentlich ihrem Zwilling gehörte. Alle drei Kinder hatten von dieser Leidenschaft der Mutter gewusst aber niemand aus ihrem Umfeld. Niemand auf dieser ganzen Welt wusste es, diesen Zusammenhang herzustellen. Eigentlich nicht einmal Chas, denn das war der Glücksbringer ihres Zwillingsbruders und nicht ihrer. Aber Gus, wäre er William, dann hätte er das erkennen müssen – sie sah zu dem Jungen mit den auffälligen Tattoos und dem sie gestern Nahe gekommen war. „ Mein Bruder hätte diese Kette erkannt, wenn er sie gesehen hätte – Gus hat sie gestern Eindeutig gesehen – also wenn, dann wärst du nur mein Bruder. Charles.“ sie sah den Erwachsenen in ihrem Zimmer nun Argwöhnisch an und weil bei ihr immer alles über Berührungen ging, streckte sie die Hand aus, strich ihm über Schläfe, Wange, Kiefer, Kinn. Er war es, oder? Unsicher zog sie sich wieder zurück, erinnerte sich an die Albträume aus ihrer Kindheit, wie sie zu beginn so Hoffnungsvoll auf seine Wiederkehr gewartet hatte. „ Ich wollte... nicht aufhören zu Glauben, dass du wieder zurück kommst.“ Aber sie hatte es. In dem Leben, in dem sie jetzt stand, war sie Überzeugt, er hatte sie zurück gelassen und das für immer. Haily wollte ihn so gern einfach fest in den Arm nehmen, gleichzeitig wollte sie weinen, ihn Anschreien und vor der Konfrontation fliehen. Sie war noch nie so Überfordert gewesen, ihr Bauch begann sich zu verkrampfen und ihr Körper empfand einmal mehr Schmerz aus einer völlig komischen Situation heraus. Mit der sie nicht umgehen konnte. „ Wie kommst du dazu, ihn für William zu halten und was... willst du hier? Von ihm?“ Immerhin, er wollte sie eben raus schicken? Was hatte das zu Bedeuten? Wollte er nur ihn sehen und sie nicht?


RE: HAILY - Charles Thompson - 21.09.2015 00:29

In meinen Ohren klang viel eher das nach Wortsalat, was Haily da jetzt auf einmal alles aussprach. Zölibat? Schlechter Drogentrip? Redeten wir hier tatsächlich so sehr aneinander vorbei? Sie hatten sich gestern kennen gelernt? Bis zu dem Moment, in dem ich meinen Namen aussprach und Haily darüber auf einmal erschrocken inne hielt, glaubte ich doch eine riesige Verwechselung gemacht zu haben, aber das war es nicht. Hier passierte etwas ganz anderes, das nur sehr langsam einen Sinn für mich ergeben wollte. Gus war William und damit mein Bruder, das wusste ich, daran gab es keinen Zweifel, ich hatte mich seit Jahren immer mal wieder über ihn informiert und noch dazu war er unserer Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten. Er war es. Und Haily- sie war meine Schwester. Auch daran gab es auf einmal keinen Zweifel mehr, vor allem dann nicht, als sie mich so erschrocken ansah, als sie die Kette an ihrem Hals liebevoll berührte und meinen Namen aussprach. So als wäre er ihr bekannt. Doch ein Puzzlestück fehlte und welches das war, das glaubte ich erst zu verstehen, als ich Gus noch einmal in die Augen blickte.
Er war auch von der Matratze aufgestanden, hatte sich sein T-Shirt angezogen, aber brachte auf einmal so viel Distanz zwischen uns wie er konnte. Erschrocken wechselte er immer wieder mit dem Blick zwischen Haily und mir hin und her. Ich konnte auch beobachten, wie er die Kette anstarrte, aber in seinen Augen sah ich, dass die Situation für ihn keinen Sinn ergab. Und das konnte nur bedeuten, dass er sich nicht erinnerte. "Gus-", sprach ich ihn deshalb direkt an, leise und vorsichtig, wie bei einem scheuen Tier. "Weißt du, wer du bist? Weißt du, wer wir sind?" Außer eines völlig apathischen Kopfschüttelns kam keinerlei Reaktion von ihm. "Was- ist das Letzte, woran du dich erinnerst? Du kommst aus Pittsburgh, richtig? Du bist da im Kinderheim groß geworden. Stimmt das?" Er nickte, kaum merklich, noch zögerlicher diesmal, aber damit verstand ich die Zusammenhänge. Damit ergab alles Sinn, für mich zumindest. Mit dem Blick wechselte ich wieder zu meiner Schwester, versuchte zu erkennen, ob sie auch verstand, aber selbst wenn, dann waren da noch immer offene Fragen, die ich ihr beantworten musste. "Haily, ich- ich hatte keine Ahnung, dass du hier bist. Ich hab von William - Gus - immer wieder etwas gehört, weil er wegen kleineren Vergehen auffällig geworden ist. Mehrere Vorstrafen sind im System gespeichert. Hausfriedensbruch, Diebstahl-" Ich sah Gus wieder in die Augen und versuchte in seinem Blick zu erkennen, ob auch er langsam verstand, was hier vor sich ging, aber nichts. Ebenso geschockt wie vorhin. "Du bist mehrmals in Tierlabore eingebrochen, unerlaubter politischer Aktivismus, da kam- immer wieder etwas Neues über dich. Aber nichts über dich, Haily." Und wieder sah ich die blonde Frau an, die meine Schwester sein sollte. "Ich hab nichts über dich gefunden. Ich weiß, dass du adoptiert wurdest, von einem Ehepaar aus New York, aber das war alles. Ich hatte keine Ahnung, wo du bist, wie du jetzt aussiehst, was du machst. Ich kannte nur die Namen von deinen neuen Eltern." Mir war bewusst, dass auch das Fragen offen ließ. Warum war ich nicht eher gekommen, um nach ihr zu sehen? Warum hatte ich besagte Adoptivfamilie nicht kontaktiert? Warum hatte ich auch so lange gewartet, um Gus zu kontaktieren? "Wir haben uns gesehen, Gus", klärte ich zumindest die letzte Frage auf, als ich ihm wieder in die Augen sah. "Durch Zufall. Bei der Hochzeit von Matt. Du bist mir entgegen gekommen und ich hab dich erkannt. Deshalb bin ich hier. Weil ich weiß, dass du Los Angeles gestern verlassen hast und weil ich- mit dir reden wollte, bevor ich nie wieder die Chance dazu hab." Nur eine Sache blieb für mich noch immer unergründlich und um mich darüber aufklären zu lassen, sah ich Haily wieder an. "Ihr habt euch- gestern kennen gelernt? Und ihr wusstet nicht, wer ihr seid?" Diesmal senkte ich tatsächlich den Blick auf ihr fast durchsichtiges Top und hoffte, dass sie verstand, worauf ich hinaus wollte. Bitte nicht.


RE: HAILY - Gus Evans - 21.09.2015 00:30

Ich wusste überhaupt nicht, was gerade mit mir geschah. Noch vor wenigen Minuten war ich so ruhig aus meinem tiefen Schlaf erwacht, hatte einen Kaffee und ein Brötchen dank Haily vor mir stehen und blinzelte verschlafen in ihr hübsches Gesicht, als es auf einmal an der Tür klopfte und ein Mann dort erschien, der offensichtlich mit mir sprechen wollte, obwohl ich ihn nicht kannte? Ich hatte zwar das Gefühl wir wären einander schon einmal über den Weg gelaufen, aber ich konnte sein Gesicht nicht einordnen. Das war an sich kein Wunder, ich hatte ein unheimlich schlechtes Gedächtnis, deshalb dachte ich mir anfangs auch nichts dabei, sondern griff nach dem T-Shirt, das Haily mir zuwarf, und zog es mir wieder über. Aber plötzlich schlug die Spannung in dem Raum um und es geschah etwas, mit dem ich schon lange nicht mehr rechnete. Charles hieß dieser Mann. Chas. Und er meinte er sei mein Bruder. Nicht nur meiner, sondern auch der von Haily. Damit setzte auf einmal alles in mir aus, übrig blieb nur eine Art Schockstarre und völlige Gefühllosigkeit. Immer mehr Informationen prasselten auf mich nieder, aber mein Kopf war nicht einmal dazu fähig das alles in einen logischen Zusammenhang zu bringen und mich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen, die in meinem Gedächtnis nicht existierte. Es fühlte sich auch penetrant so an, als redeten die beiden nicht über mich, sondern über einen Jungen, den ich nicht kannte. Was ja auch gewissermaßen der Wahrheit entsprach. Vielleicht war ich körperlich dieser William gewesen, aber was blieb davon jetzt noch übrig, wenn es diesen Jungen in meinem Kopf nicht mehr gab? Wer war ich denn wirklich? Was hatte es mit dieser Kette auf sich, über die Haily und Chas redeten? Die Kette, die gestern irgendetwas in mir ausgelöst hatte?
Es war absurd, dass ich absolut nichts über die ersten Jahre meines Lebens wusste - viel weniger anscheinend, als die beiden Personen, die gerade mit mir in diesem Raum standen und meine leiblichen Geschwister waren - aber ich mich trotzdem so sehr auf diese Kette fixierte, dass ich sie immer wieder anstarrte. Ich hatte keine Ahnung, wer meine Eltern waren, warum wir als Geschwister nicht mehr beisammen lebten, weshalb ich in einem Kinderheim aufwachsen musste und trotzdem war es diese Muschel, die meine ganze Aufmerksamkeit auf sich zog? Vor mir standen zwei Personen, die die endlose Suche nach meiner Identität beenden könnten, mit ihrem Wissen, und ich schaffte es trotzdem nicht all die Fragen auszusprechen, die mir schon seit Jahren auf dem Herzen lagen? Was war denn auf einmal los mit mir? Völlig überfordert schritt ich immer weiter zurück, brachte immer mehr Distanz zwischen mich und die beiden Personen, die ein Teil meiner Familie sein sollten, wechselte dabei immer wieder mit dem Blick zwischen ihnen, doch helfen konnte mir das auch nicht. Ich fühlte mich noch immer fehl am Platz, vor allem wenn ich Haily ansah. Wenn ich daran dachte, wie anders mein Blick noch vor wenigen Minuten gewesen war. Wie wir uns gestern berührt hatten. Geküsst. Diese attraktive Frau war auf einmal mit mir verwandt? Und Chas Charles - wie auch immer - diese harte Mine in seinem Gesicht, diese Unnahbarkeit und Kälte, die ihn umgab, wer war das? Jetzt schon war ich körperlich völlig am Ende, mein Kopf schmerzte, meine Glieder zitterten, mein Herz raste und das Blut schoss so schnell durch meinen Körper, dass mir abwechselnd heiß und kalt wurde. Und trotzdem- das Erste, das sich schaffte auszusprechen, galt noch immer der Kette, die Haily in der Hand hielt. "Was- ist das? Woher kommt das?" Zu mehr war ich nicht fähig, bevor ein unangenehmer Druck meine Kehle wieder zuschnürte.


RE: HAILY - Haily Stone - 21.09.2015 21:17

Wenn es eines in ihrem Leben nicht leiden konnte, dann, wenn sie solche Gefühle wie Enttäuschung oder Ärger in sich fand. Die gehörten nicht zu ihr, Haily merkte das doch, wenn ihr Körper darauf reagierte. Wenn sie sich leicht krümmte, wie jetzt, weil ihr das alles zu viel wurde und ihr Bauch begann zu Schmerzen, und der sich dann rasend in ihrem ganzen Dasein ausbreitete. Sie war ein friedliebender Mensch, sie wollte immer alle Umarmen und sie wollte nur Liebe empfinden und nicht das hier. Gerade jetzt würde sie vielleicht Noah´s Frage beantworten können, wie sie reagierte, wenn sie mit einem Menschen abgeschlossen hatte und der kam wieder in ihr Leben. Das passte nicht. Das gehörte nicht mehr dazu. Trotzdem – bis vor ein paar Stunden hätte sie sich noch dafür ausgesprochen, dass das mit ihren Brüdern anders war. Weil sie gerade zu diesem kalten Menschen, der nicht weit von ihr weg stand, immer aufgesehen hatte als kleines Mädchen. Chas war damals ihr cooler Fels und ihr Vorbild – schon als kleines Kind hatte sie immer Begeistert versucht ihm zu folgen und ihre Mutter hatte an guten Tagen immer Lachend gesagt, sie war ihm wie ein Entenküken gefolgt. Sobald sie das Krabbeln hatte sein gelassen und auf ihren Beinen stehen konnte. Obwohl Chas das damals tierisch abgefuckt hatte, wie er beteuert hatte, sagte ihre Mutter immer, wie Stolz er an dem Tag auf sie gewesen war, weil sie sich so Angestrengt hatte, ihr Ziel zu erreichen. Ihn. Er war schon immer der kühlere, der Zielstrebige von den dreien aber was nun hier vor ihr stand hatte dazu noch etwas Böses an sich. Vielleicht auch nur, weil sie so Enttäuscht von ihm gewesen war. Und dann war da Gus, die beiden Zwillinge hatten ein ganz anderes Verhältnis. Haily hatte sich immer gegen ihn durchgesetzt, glaubte sie zumindest aber manchmal war es auch seine Gutmütigkeit gewesen, oder? Sie würde ihn nicht fragen können, ob er auch noch wusste, was die beiden für ein seelisches Band inne hatten. Das sie sich als kleines Kind immer schlecht gefühlt hatte, wenn er Krank war und auch nur leidend in ihrem Bett lag. Weil sie Zwillinge waren, hatten sie einfach jedes hoch und tief im Herzen geteilt, dachte sie. Nur er wusste nicht mal mehr wer sie war. Er wusste nicht mal mehr, dass er ihr diese Muschel, den wertvollsten Besitz mitgegeben hatte? Das machte sie alles so unfassbar Traurig. Weil ihre Erinnerung so lebhaft war, weil sie so viele Träume von dieser Zeit hatte, bis heute und weil keiner der beiden so schien als könnte er etwas mit ihren Bildern im Kopf anfangen. Das tat sogar innen drin so weh, sie ging auch ein paar Schritte rückwärts von den beiden weg zu der Tür und nun hatte viel mehr jeder seine eigene Ecke. Seinen eigenen Standpunkt. Sie hätte lieber nur die schönen Momente in ihrem Kopf behalten als das hier und deswegen wollte sie sich so schnell von all dem hier Lösen, bevor sie nicht mehr dazu in der Lage war. „ Du wusstest den Namen der Familie, wo ich war? Du wusstest, dass wir... getrennt wurden? Und statt dich dafür zu Interessieren oder mir auch Antworten zu liefern, willst du Wissen, ob wir Sex hatten? Weißt du eigentlich, wie lange ich die Hand in die Dunkelheit gehalten habe, weil ich dachte, du kommst wieder zurück? Weißt du wie ich immer wieder daran Gedacht habe, du bist endlich wieder da und wir sitzen nicht mehr auf dieser Bank? Nein Charles, wir hatten keinen Sex aber das macht es nicht besser... aber...“ sie sah zu Gus und auch wenn die Wut vielleicht nicht verdient war und er nichts dafür konnte, sie war zu Verletzt um zu verstehen, er konnte sich nicht an sie Erinnern. Sie löste die Kette im Nacken „... daran kannst du dich ja noch Erinnern. Erzähl es unserem Bruder ruhig, was gestern war. Wenn du schon vergessen hast – die Nacht, bevor ich in die neue Familie gekommen bin, hab ich mich zu deinem Zimmer geschlichen im Heim. Du hast mir das gegeben, deinen Glücksbringer, der immer aufpassen sollte – auf mich – aber was hat das für einen Wert, wenn du nicht daran glaubst? Was das ist? Woher das kommt? Ich dachte das ist mehr aber das ist eine einfache Muschel vom Strand, die unsere Mutter bemalt hat und die geschenkt, weil du sie so gerne hattest. Bitteschön.“ Sie warf den Schmuck auf die Matratze, auf der sein Schlafsack noch lag. Haily brauchte das nicht mehr, William hatte sie einfach vergessen!
Da stand schon jemand skeptisch an ihrer Tür, niemand kannte Haily hier so. So Laut und so Verzweifelt, sie war immer Glücklich ohne Unterlass. Als also einer der Hippies sie Ratlos ansah, schüttelte sie nur den Kopf und schob sich aus dem Raum in dem sich die beiden Brüder befanden. Das war kein Fluchtgedanke in ihr wie Gus den hatte sondern eher, dass sie abgeschlossen hatte mit den beiden und das sie keinen Platz mehr in ihrem Leben hatten. Das sie Schatten in ihr Herz brachten. Vielleicht gingen beide davon aus, dass diese junge blonde Frau nicht so wahnsinnig war und ohne irgendwas aus ihrem Zimmer fliehen würde – aber genau das tat Haily. Sie ging in Noahs Zimmer, nahm sich eine Hose von ihm und ein Shirt und so verließ sie ihr neues Zuhause. Ob sie wieder kommen würde oder nicht, wusste sie selber nicht aber es würde einige Zeit dauern. Egal ob Gus oder Chas auf ihre Rückkehr warten würden, sie würde nicht kommen. Noah würde auch nur von ein paar Bekannten von dieser merkwürdigen Auseinandersetzung hören, dass Haily mit Schmerzverzerrtem Gesicht ein paar Klamotten von ihm angezogen und vom Fleck weg dieses Haus verlassen hatte. Unangetastet stand da ihr Frühstück daneben das Uralte Handy. Da lag noch Weed und LSD neben ihrem Bett, das nicht mal gemacht war, da lagen ihre Nähsachen und ihre ganzen halbfertigen Möbel aber von der Blondine sollte jede Spur fehlen.
Wohin genau wusste sie nicht einmal, sie sah auch einfach nur komisch aus in dem Bandshirt und den dunklen Jeans von Noah und ihr restliches Wesen schien da gar nicht reinzupassen. Wenigstens band sie es am Bauch nach oben und krempelte die Hose bis über die Knie, fand noch ein Band was sie sich in die Haare flocht und ein paar alte Lederhalbstiefel. Bis dahin war sie Barfuß unterwegs gewesen. Sie beschloss den netten Barkeeper zu besuchen, denn es hieß nicht sofort die Stadt zu verlassen – also würde sie schon aber sie brauchte etwas Geld zum Überleben, also Essen. Wenn sie Trampte, an der Autobahn ließ es sich so einfach nicht containern. Heute sollte es nur nicht so leicht werden in die Kneipe zu kommen, eine komische, elitäre Hardcoreband spielte da. Der Club würde Rappelvoll werden, eigentlich füllten sie Hallen aber einer der Bandmember hatte die dumme Idee, mal wieder einen kleinen Club zu beehren. An für sich cool aber doch nicht, wenn Haily gerade da Flüchten wollte ohne sich den Schädel einhauen zu lassen. Anders als angenommen waren bei dem Konzert aber auch ganz schön aufgebrezelte Damen. Hm? Komisch. Aber alles halb so wild, nett und charmant wie sie war, bot sie dem Barkeeper an ein bisschen zu Helfen. Sie wollte das nicht arbeiten nennen, denn wenn sie auf einmal keinen Bock mehr darauf hatte, würde sie vom Fleck weg das Tablett fallen lassen und gehen. Jetzt aber stand der wie eine Krake hinter der Theke, die zweite Vorband sollte gleich los gehen – Haily hatte sich schon bei der ersten wieder auf der Bar versteckt und sogar das runde Tablett vor sich als Schutzschild gehalten – und ihr alter sowie neuer Bekannter die Theken-Kraft schickte die exotische Blondine mit einer Flasche Whsikey nach hinten. Konnten die nicht das billig Bier wie alle anderen trinken? Na wenigstens war sie nicht verlegen, sich selber vorher von der Flasche großzügig zu Bedienen. Die schienen es ja zu haben, wenn sie sich den Luxusliner ansah, mit dem sie hergekommen waren. Haily war Tatsache lieber einmal um den ganzen Block gelaufen, um nicht durch diese wütende, eingeheizte Hardcore Menge zu durchqueren, um von hinten durch den Backstage Bereich zu latschen und die Sonderwünsche zu Erfüllen. Eines musste sie trotzdem zugeben, ein paar Tage da drin reisen wäre wie Urlaub – dachte sie als sie daran vorbei ging. Unbeeindruckt davon, die angebrochene Flasche auf dem Tisch abzustellen, sah sie die so teure Band der Reihe nach an „ Sagt nicht, hier gibt es keine Gläser?“ Sie verdrehte die Augen, einige Lachten – war ihr egal und noch weniger Interessierte sie, wie sie drein schauten, als sie ein paar Plastikbecher nach einigem Wühlen fand. „ Tata.“ Hatte bestimmt eine kleine Band vergessen, nachdem sie so blau waren, weil sie ihren billig Vodka da drin gemischt hatten aber man konnte daraus trinken und da gab es nichts zu maulen. Die waren ja nicht benutzt, das waren mehrere und die stellte sie neben die Flasche und wollte sich auf den weiten Rückmarsch machen, um noch mal neidisch auf das Bett auf Rädern zu schauen. Nach dem heutigen Tag war das Ding der Inbegriff alle ihre Probleme zu lösen. Sie konnte die Stadt verlassen, da drin war genug Zeug um es teuer zu Verscherbeln und ein Dach über dem Kopf. Mehr wollte sie doch nicht.


RE: HAILY - Charles Thompson - 22.09.2015 10:39

Ich war schon immer jemand gewesen, der absolut durchdacht und geplant handelte, der sich auf alle Eventualitäten vorbereitete, und deshalb hatte ich natürlich auch in Erwägung gezogen, dass Gus einfach vor mir fliehen könnte. Weil er keine Lust hatte sich mit mir auseinanderzusetzen. Und schon bevor ich hierher gekommen war, hatte ich für mich entschieden, dass das in Ordnung sein musste. Ich würde ihm nicht folgen, ich würde ihm meine Anwesenheit nicht aufzwingen, ich war nur hier, um mich erkenntlich zu zeigen und um ihm die Chance zu geben mit mir in Kontakt zu treten, wenn er das denn wollte. Gus stand zwar noch immer hier ihm Raum, völlig apathisch, fast schon weggetreten, überfordert mit der gesamten Situation, aber dasselbe galt natürlich auch für Haily. Und von diesen Plänen wich auch nicht ab wegen irgendwelcher familiären Emotionen, die meine Geschwister in mir weckten. Als sie mir diese indirekten Vorwürfe machte, die absolut gerechtfertigt waren, blieb ich einfach ruhig stehen, sah sie an, und als sie danach aus dem Zimmer floh, versuchte ich sie war umzustimmen indem ich einmal ihren Namen aussprach, doch als sie darauf nicht reagierte, ließ ich sie einfach gehen. Möglicherweise brauchte sie einfach nur Zeit. Mit Sicherheit würde sie im Laufe des Tages zurück kommen, ihre ganzen Sachen waren doch noch hier, dann könnte ich noch einmal versuchen mit ihr zu reden. Jetzt sah ich hingegen völlig ausgeglichen die fremde Person an, die in der Tür stand, so lange bis mein starrer Blick sie verwirrte und sie lieber wieder den Raum verließ. Damit widmete ich mich Gus.
Solange er hier war würde ich all die Dinge aussprechen, wegen denen ich mich auf den Weg nach San Francisco gemacht hatte und ganz vorne stand dabei eine Entschuldigung. Das tat ich nicht oft, ich band mich nicht an Personen und musste deshalb auch niemanden um Vergebung bitten, aber ich wusste auch, wann es doch an der Zeit war diese Worte auszusprechen. Und dann fühlte ich mich auch nicht zu Schade dafür. Ich entschuldigte mich nicht für das, was ich damals getan hatte, sondern viel eher dafür, dass ich nicht versucht hatte ihn und seine Schwester eher zu kontaktieren. Ich sagte ihm, dass ich hier war, weil ich gerne wissen wollte wie es ihm ging und auch, weil ich ihn gerne kennen lernen wollte. Selbst das alles kam noch in dieser typisch abgeklärten, emotionslosen Tonlage zwischen meinen Lippen hervor. Und als ich ihm anbot, dass er mir einige Fragen stellen konnte, wenn er das denn wollte, sah er mich noch immer völlig sprach- und regungslos an. So lange, bis er erneut den Blick auf die Kette senkte, seinen Körper langsam in Bewegung setzte, auf die Matratze zuging und die Muschel aufhob, um sie von allen Seiten zu betrachten. Dieses filigrane, farbenfrohe Bild auf der Vorderseite, diese Szenerie, die ihm so fremd wäre, und dann auch die Rückseite. Ich musste nicht einmal hinsehen, um zu wissen, dass er dort die Anfangsbuchstaben von ihm und seiner Schwester eingeritzt hatte. Meine Mutter hatte ihm als kleiner Junge dabei geholfen. Sie hatte ihm damals gesagt er solle die Muschel immer dicht an seinem Körper tragen, sie würde ihn beschützen und ihm Glück bringen, und seitdem hatte er sie nie mehr aus den Augen gelassen. Tagsüber befand sie sich in seiner Hosentasche, wenn er nicht gerade verträumt auf der Wiese saß und sie von allen Seiten betrachtete, und nachts lag sie direkt neben ihm, auf seinem Nachttisch neben dem Bett. Es war tatsächlich sein wertvollster Besitz und wenn ich so etwas wie ein Herz gehabt hätte, dann wäre es mir vermutlich gebrochen, als ich die Tragik dieser Situation verstand. Als ich verstand, dass er das Einzige, was ihm etwas bedeutete, seiner Schwester gegeben hatte, damit die Muschel sie beschützte. Damit Haily ihn nicht vergaß.
Weil Gus anscheinend noch immer keine Worte fand, erzählte ich ihm davon. Alles. Ich holte weit aus, redete von dem Hobby unserer Mutter und wie viel Spaß er als kleiner Junge gehabt hatte, wenn er mit ihr im Sand nach Muscheln suchen konnte, die schön oder besonders genug waren, um kleine Kunstwerke darauf zu verewigen. Für ihn musste es klingen wie die Geschichte aus einem Märchenbuch, eine Erzählung aus einem anderen Leben, denn er erinnerte sich noch immer an nichts davon. Für ihn war es, als redete ich nicht über ihn, sondern über einen fremden kleinen Jungen, dessen Kindheit weitaus schöner gewesen sein musste, als die, die in seinem Gedächtnis verankert war. Doch durch meine Berichterstattung wurden all diese Dinge auf einmal greifbar und er schaffte es darüber seine Stimme wieder zu finden und zu fragen, was ihm auf dem Herzen lag. Anfangs waren das völlig banale Sachen, zum Beispiel fragte er mich, ob unsere Mutter schöne Hände gehabt hätte. Etwas, das eigentlich völlig unwichtig schien. Aber möglicherweise hatte er so viel Angst vor dem, was ihm eigentlich so viel drängender auf dem Herzen lag, dass er erst Details kennen wollte. Dass er sich erst ein Bild von den Personen machen wollte, die seine Familie gewesen waren. Erst nach und nach kam immer mehr. Er fragte mich danach, wo wir aufgewachsen seien, nach unserem Haus, nach dem Charakter unserer Mutter, dem Charakter unseres Vaters. Und unseres Stiefvaters, von dem er durch mich zum ersten Mal erfuhr. Er fragte nach dem Verhältnis zu seiner Zwillingsschwester, dem Verhältnis zu mir, unserem Leben, ob wir glücklich gewesen wären. Und dann, erst ganz zum Schluss, fragte er mich, was passiert war. Warum unsere Eltern ihn und seine Schwester nicht wollten. Und ich beantwortete es ihm, ehrlich, ohne etwas auszulassen, in der ganzen Grausamkeit und Brutalität, in der ich es damals wahrgenommen hatte. Ich erzählte ihm von meiner damaligen Entscheidung und sagte ihm auch, dass unsere Mutter nicht mehr lebte, ebenso wie unser Stiefvater. Es gab niemanden mehr, außer uns drei.
Ich wusste nicht genau, was in dem Moment mit ihm passierte, aber weil er sich nicht mehr erinnern konnte- vielleicht durchlebte er in diesem Moment das, was Haily und ich damals aushalten mussten. Vielleicht spürte er jetzt erst so richtig diesen Verlust, ich hatte keine Ahnung, aber auf einmal schwieg er wieder. Er starrte nur auf die Kette, ohne etwas zu sagen, minutenlang, bis er kaum merklich den Kopf schüttelte und aussprach, dass er gehen würde. Dass er gerade alleine sein musste. Er ließ mich nicht in seinen Kopf sehen, sagte mir nicht, was da vor sich ging, aber ich nickte, ich schrieb ihm meine Handynummer auf und dann sah ich ihm dabei zu, wie er die wenigen Sachen zusammen räumte, die ihm gehörten. Nur noch ein weiterer Blick, steife Worte der Verabschiedung und dann ging er. Zurück blieb ich alleine in Hailys Zimmer. Ich wollte nicht unerlaubt in ihren Sachen schnüffeln, aber trotzdem lief ich langsam durch den Raum, betrachtete die offensichtlichen Kleidungs- und Möbelstücke. Das Durcheinander in einigen Ecken. Ich versuchte mir ein Bild von ihrem Leben zu machen, weil ich über sie so wenig wusste, im Gegensatz zu Gus. Er hatte mir zwar von dem gestrigen Abend erzählt und mir damit ein Bild davon gegeben, was meine Schwester für ein Mensch war, aber das war nur ein Bruchstück aus einem ganzen Leben. Auch das Gras und die LSD Pappen neben ihrem Bett blieben mir nicht verborgen, während ich hier auf sie wartete genehmigte ich mir sogar einen kleinen Joint zur Beruhigung, aber Haily kam nicht zurück. Bis in den späten Abend saß ich hier in ihrem Zimmer, aber sie erschien nicht. Ich fragte ein paar andere Bewohner, ob jemand versuchen könnte sie zu kontaktieren, aber als jemand ein altes Öko-Nokia-Handy herausholte und ihre Nummer wählte, klingelte es in ihrem Zimmer. Selbst das hatte sie anscheinend hier gelassen. Letztendlich tat ich das Einzige, was ich noch tun konnte, indem ich auch ihr meine Handynummer auf einen Zettel schrieb, dieses Blatt Papier mitten auf ihre Matratze legte und danach wieder ging. Mein Freund saß immer noch in dem Auto, hatte sich kein Stück bewegt und wagte es auch nicht mich genervt anzusehen, als ich mich ganz ohne Entschuldigung auf den Beifahrersitz sinken ließ und ihn bat zurück nach Santa Barbara zu fahren.


RE: SQUAT HOUSE - Noah Scott - 21.03.2016 15:43

Ich hatte mit der Zeit nicht bloß viel von Haily gelernt, sie war darüber hinaus auch zu jemandem geworden, zu dem ich auf eine absurde Art aufsah. Sie war in ihrem Leben dort angekommen, wo ich hinwollte, völlig frei von äußeren Einflüssen, und deshalb beobachtete ich auch diesmal wie sie sich Apple gegenüber verhielt. Wenn sie auch enttäuscht war, dann fühlte ich mich in meiner Enttäuschung bestätigt. Wenn sie wütend wurde, dann sollte ich vielleicht nochmal darüber nachdenken, ob ich vielleicht zu nachsichtig mit Apple gewesen war. Haily reagierte aber ganz anders, nach kurzer Verwirrung wirkte es augenblicklich so als spiele der Name und das Alter von Apple gar keine Rolle, sie ging genauso offen und frei mit ihr um wie vorher und je länger ich das mitansehen konnte, desto mehr ließ auch die Spannung in mir nach. Ich hatte mir während des ganzen Tages immer wieder eingeredet, dass ein biologisches Alter und ein anderer Name doch nichts daran ändern würde wie sehr ich sie mochte, während da aber noch immer diese von der Gesellschaft geformte Stimme übrig blieb, die mir sagte, dass sich 25-jährige Männer nicht mit 17-jährigen Mädchen abgaben, Haily gelang es allerdings genau diese Stimme zum Schweigen zu bringen. Und deshalb lächelte ich auch völlig frei, als Apple mich fragte, ob es in Ordnung wäre die Matratze mit ihr zu teilen, und stimmte nickend zu. Es änderte sich ja nichts, wir waren immer noch Freunde, nur was die gestrige Nähe anging und die Küsse, das durfte nicht noch einmal passieren. Oder? Das ging nicht.
Apple schlief fast augenblicklich ein, als wir uns hinlegten, der Tag hatte sie wohl dann doch zu sehr geschlaucht, Haily und ich blieben aber noch lange wach, redeten flüsternd miteinander und rauchten noch ein oder zwei Joints, bis sie sich irgendwann müde an Apple kuschelte und ich mich wiederum an sie. Dass Haily auf ihrer Königsmatratze in der Mitte lag, war ja auch gar keine Frage. Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war sie aber ganz offensichtlich schon auf den Beinen und stromerte irgendwo durchs Haus, denn statt ihrem lag der Kopf von Apple an meiner Schulter und ihre Hände waren es auch, die sich sachte in die Haut an meinem Arm drückten. Mein erster Instinkt war schnell das Weite zu suchen und zumindest körperlich die Distanz zu wahren, aber gleichzeitig- sie sah so friedlich aus wie sie dort lag, ihr Atem klang so beruhigend in meinem Ohr und ihre Körperwärme war so anziehend, dass ich einfach genau so ausharrte. Immer wieder beobachtete ich dabei ihr schlafendes Gesicht, so lange, bis Haily wie ein Wirbelwind ins Zimmer gestürmt kam und ich mich unwillkürlich Apple entzog, um aufzustehen, während auch sie gerade wach wurde.
Wie geplant packte ich all meine Sachen in meinen Rucksack, mehrmals sah ich dabei auf mein Handy und überlegte Lahja zu schreiben, aber- nein. Das war noch zu früh. Vielleicht sollte ich ihr besser noch ein paar Tage zur Beruhigung geben, sie würde ja noch früh genug merken, dass ich mich gar nicht mehr in der Stadt befand. Apple brauchte mich jetzt dringender als sie. Nach einem verdammt langen Abschied von Haily, den anderen Bewohnern und diesem Haus - weil sie weder mich, noch Apple loslassen wollte - machten wir uns also auf den Weg zur Busstation und buchten dort von dem gestern geklauten Geld tatsächlich direkt die nächste Fahrt nach San Francisco. Immer wieder sprach ich ihr dabei gut zu, erzählte ihr schon von meinem Zimmer, von meinen Mitbewohnern und von dem Leben, das ich dort führte. Ich redete von meiner Straßenmusik, von dem Hippiepark, in dem wir uns im Sommer den ganzen Tag lang aufhielten, und auch von der Hardcore-Band, in der ich nebenbei noch spielte. Genauso versprach ich ihr sie mitzunehmen zu meinem Job in der Kneipe, vielleicht könnten wir dort mal gemeinsam singen, vielleicht wäre der Chef von unserer Musik genauso angetan wie alle anderen und vielleicht würde er auch Apple einen Job anbieten, um einmal wöchentlich mit mir dort zu spielen. Dass Apples Vater es sich doch noch anders überlegen könnte und seine Tochter wieder bei sich haben wollte, daran verschwendete ich überhaupt keinen Gedanken, weil auch sie diese Möglichkeit anscheinend gar nicht in Betracht zog. Viel eher gab ich ihr also wirklich das Gefühl, dass sie hier willkommen war, so lange sie wollte. Dass nicht nur ich ihr helfen würde, sondern dass auch alle meine Freunde und Mitbewohner unheimlich offene und sympathische Menschen waren, die sie mit Sicherheit unterstützen würden, wenn sie irgendetwas brauchte. Und genau so wurde sie dort auch empfangen. Weil ich jetzt zwei bis drei Wochen nicht mehr hier gewesen war, schliefen gerade noch zwei Backpacker aus Europa in meinem Zimmer, aber obwohl ich ihnen anbot den Raum einfach zu viert zu teilen, solange sie hier waren, zogen sie dann doch ins Wohnzimmer um, als wir ankamen. Das war für Apple vielleicht auch gar nicht so schlecht, jemand der allgemein nicht gut mit Menschen auskam wollte vielleicht auch mal einen kleinen Rückzugsort haben. Gerade am Anfang wurde man von der Freundlichkeit manchmal erschlagen, denn so wie immer bei Neuankömmlingen, stürzten sich meine Mitbewohner auch auf Apple, fragten sie aus, backten einen Kuchen aus Freude über unsere Rückkehr und ließen uns kaum aus den Augen. Den ganzen Nachmittag lang saßen wir gemeinsam in der Küche, am Abend gingen wir mit ein paar anderen Leuten in ein anderes offenes Wohnprojekt, die einmal wöchentlich einen Musik-Abend veranstalteten, wo man sich einfach zum jammen traf, und erst spät in der Nacht kamen wir in meinem Zimmer endlich zur Ruhe.