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RE: NEW YORK - Noah Scott - 19.12.2015 10:40

Zu Beginn erreichte Lahja mit ihren Erklärungen bloß, dass ich mich noch mehr verspannte und dass sich ein riesiger Druck in mir aufbaute. Wie sollte ich denn mit ihr schlafen, wenn sie ganz offensichtlich darunter leiden würde? Und wie sollte ich das mit dem Wissen tun, dass ich es unter keinen Umständen abbrechen durfte? Was, wenn ich mich ebenfalls nicht gehen lassen konnte? Wenn ich jetzt überhaupt nicht mehr in Stimmung kam? Angespannt sah ich deshalb auch zur Seite weg, versuchte meinen besorgten und verzweifelten Blick vor meiner Freundin zu verbergen, aber wir kannten einander so gut, sie würde wahrscheinlich trotzdem meine Angst spüren. Angst, die sich erst langsam legte, als Lahja Worte in den Mund nahm, die ich nur selten von ihr hörte. "Dem Menschen, den du liebst", wiederholte ich leise, während ich doch wieder den Blick in ihre Augen suchte und meine Fingerspitzen auf ihrer Schulter langsam in Bewegung setzte. Wenn das wirklich etwas war, bei dem nur ich ihr helfen konnte, dann blieb mir doch gar keine Wahl. Ich hatte so wenig für Lahja tun können in den letzten paar Tagen, das meiste übernahm Zac, aber vielleicht war das hier wirklich etwas, das wir gemeinsam durchstehen mussten. Nur sie und ich. Egal wie schwer das für uns beide werden würde. "Okay", flüsterte ich deshalb gedämpft, als ihre Lippen erst meine Schulter und dann auf meinen Hals trafen. "Ich- verstehe vielleicht nicht ganz genau, was dir durch den Kopf geht, aber wir schaffen das. Zusammen. Ich bin für dich da, wenn du mich brauchst." Langsam lehnte ich mich ein wenig zur Seite, so weit, bis meine Lippen ganz zärtlich auf die von meiner Freundin trafen. Bis meine Angst und die Verzweiflung in den Hintergrund traten und stattdessen ein verliebtes Kribbeln meinen Körper einnahm, das ich auch nach 5 Jahren in Momenten wie diesen noch manchmal spürte. "Ich hab das vermisst. Dich." Nuschelnd sprach ich gegen ihre Lippen, ehe ich meine Hand an ihre Wange hob und erneut ihren Mund mit meinem verschloss.


RE: NEW YORK - Lahja Emilia O'Neill - 19.12.2015 13:58

Lahja hob die Lippen zu einem Lächeln, als er genau die Worte noch einmal in den Mund nahm, die ihr immer wieder schwer fielen. Natürlich kostete sie das Überwindung, nicht nur diese Offenheit gegenüber ihrem Freund sondern sich auch nicht von der Laune so dermaßen einnehmen zu lassen, dass sie nun nur noch zickte oder gar herum Schrie. Lieber näherte sie sich Noah noch ein wenig, um seine Körperwärme auf dem Dach zu spüren – in New York herrschte eindeutig ein anderes Klima als in Los Angeles. „ Ja... ich werde es nun nicht noch einmal Wiederholen, sonst erkennst du mich nicht wieder. Das hast du nun davon, dass du dich mit mir immer so Zufrieden gegeben hast, wie ich bin.“ Obwohl Noah ihr damit immer wieder auf die Beine geholfen hatte – im Gegensatz zu ihm konnte sie das ganz schlecht. Sie fand auf Anhieb immer einen Fehler an sich selber oder in ihrem Verhalten. Er wollte aber für sie da sein, auch jetzt noch. Auch nachdem sie Schuld hatte, bei einer Vergewaltigung Lust empfunden zu haben und nach Überhaupt allem, was sie ihm schon angetan hatte. Selbst jetzt sprach er einfach aus, dass er sie vermisst hatte und Lahja setzte sich ihm Gegenüber und zwang sich – mit immer wieder kurzen Unterbrechungen – ihm in die Augen zu sehen. „ Du hast mir auch gefehlt – du als Mensch die letzte Zeit, ganz arg aber auch... mehr.“ Da war ihre bekannte, verklemmte Art dann doch wieder und auch ihre unbeholfene Ausdrucksweise, Gefühle in Worte zu fassen. Danke Kilian! Lahja ließ es erst bei den Streicheleinheiten zwischen den beiden, bei den behutsamen Berührungen von Lippen auf der Haut des anderen. An unschuldigen Stellen, wie der Wange oder knapp über der Augenbraue. Weil sie Noahs Wärme verinnerlichen wollte, seinen Geruch, der so lange gefehlt hatte – einfach diese Vertrautheit. Das sollte es auch ihm leichter machen. Dennoch war es ein Trugschluss danach zu denken, alles würde mit einem Mal in der Zweisamkeit der beiden keine Rolle mehr spielen. Als die beiden Spielerisch wieder in die Decken und das innere des Wagens kletterten, als Noah begann, das Oberteil von Lahja behutsam nach oben zu schieben, da kamen Erinnerungen und Scham wieder. Die Muskeln waren deutlich verhärtet und ihr Kopf arbeitete. Immer wieder hob sie den Kopf, ihn anzusehen, zu Wissen, er war da und sich damit zu Lockern. Viele Versuche, seine nackten Schultern mit den Fingernägeln liebevoll nachzuzeichnen, seine Haut, seine ihr so bekannten Tattoos auf der Brust aber als sie den ersten, lustvollen Ton von sich gab, drehte sie den Kopf zur Seite. Da lagen so viele Zweifel verborgen. Sie hoffte trotzdem, er würde nicht Aufhören – denn das war es, was die beiden eben Besprochen hatten – vielleicht musste sie das wieder neu lernen. Noah war jedoch nicht die Art Mann, dem so ein Feingefühl mit einer Erektion abhanden kam. Die beiden handelten ein Wort aus, wenn es nicht mehr ging, mit dem beide das beenden konnten. Auch ohne Fragen des anderen, vorerst. Ihr Freund hielt aber sein Wort, wenn es ihm auch sicher nicht leicht gefallen war, denn irgendwann konnte Lahja nicht anders – ihr ganzer Körper verspannte sich. Sie fühlte sich Schuldig, positive Empfindungen zu haben und sie versuchte ein Schluchzen zu Unterdrücken und Noahs Kopf zog sie dabei so nahe an ihre Schulter, dass er ihr nicht in die Augen sehen konnte.
Für beide war diese Nacht nicht einfach und trotzdem – als sie sich umsichtig in seine Arme legte, war ihr klar, nur so würde sie wieder neu lernen, das zu Genießen. Lahja war niemand, der aus tausenden von Worten solche Erlebnisse verarbeitete. Sie war schon immer jemand, der handelte und aus Erfahrungen lernte. Selbst wenn es als Kind hieß, die Herdplatte war heiß, sie hatte mindestens einmal darauf gefasst. Danach erstarb auch das Reden über diese Art der Folter von Chris – vielleicht hatte auch Noah verstanden, dass er ihr nur so helfen konnte.
Die beiden gestalteten zumindest ihren Urlaub weiterhin schön, ruhig und in Zweisamkeit. Sie betranken sich einen Abend, benahmen sich kitschig und liebestoll und sie gingen sogar Spießig in manche Läden oder Restaurants, in denen Jeany gewesen war. Sie kehrten auch noch mal in die Stadt zurück, besuchten die Klinik in der Lahja damals gelegen hatte und Noah sie mit einer Bierflasche abgeholt hatte, nach der Messerattacke. Ja, das Ende war dann der Romantik-Urlaub der aber auch ihnen gerecht werden sollte. Lahja fühlte sich so weit auch mal eine Nacht durch zu feiern, am nächsten Tag fertig zu sein und das ohne Drogen. Sie wirkte mit einem Mal Jünger und Unbefangener. Wieso musste immer etwas extremes passieren, dass sie sich das gönnte? Das sie es Herausforderte, sich so leicht zu fühlen? Und warum hielt das nie an?
Die beiden bleiben bis kurz vor den Feiertagen, bis Noah ein Anruf aus dem Haus in dem er lebte erreichte, es gab Probleme. Mit der Justiz. Mit wem auch anders? Die beiden Sprachen darüber – ganz Vernünftig, wenn sie auch zu beginn schmollte, und Entschieden gemeinsam – Noah würde nach Hause reisen und sie zu Kilian. Die beiden würden sich dann sehen, wenn die Lage wieder entspannter wäre oder sie würde ihn Besuchen. Das Kilian das mit April mal wieder Versaut hatte, wusste sie nicht und auch noch nicht, dass Matt Verzweifelt seine Ehe rettete und auch mit Sicherheit nicht das das Blonde Monster sich in Unmittelbarer Nähe aufhielt. Ihr Vater wollte ihr auch nicht zu viel Zumuten, was er konnte, kehrte er unter den Tisch. Typisch. Die beiden machten Traditionell Sphagetti zu Wiehnachten – die ersten Treffen mit ihrem Dad verband sie damit einfach und am Abend eröffnete sie ihm, sie wollte nach Zac schauen. Weiter hätte er die Augen echt nicht verdrehen können, Kilian war Beleidigt – ha, genau so hatte sie ausgesehen, als sie gehört hatte, dass Noah in San Franciso feierte. Das war nicht zu übersehen. Trotzdem – sie hatte Zac versprochen, vorbei zu kommen und zu Reden und auch sich zu Entschuldigen. Mit Noah hatte sie darüber auch schon geredet – na, wann sollte Lahja denn besser über ihren Schatten springen als an den Festtagen. Blieb zu Hoffen, dass er Daheim war, als sie später mit schnell klopfendem Herzen an seiner Tür schellte. Sie hasste es ja so, Aufgeregt zu sein.


NEW YORK - Haily Stone - 17.07.2018 23:48

An diesem viel zu schwülen Abend trieb es Haily eher gezwungen vor die Tür. Wo sie vor knapp zwei Jahren noch eher weniger die Ruhe von vier Wänden genießen konnte, hatte sich doch bis hier her einiges verändert. Wenn sie mal wieder den Blick in die Vergangenheit wandte, bereute sie das erlebte zwar nicht aber es erschien ihr auch einfach unglaublich weit entfernt. Als sei sie damals jemand ganz anderes gewesen. Es erschien ihr wie ein Traum. Manchmal packte sie die Wehmut nach der Freiheit aber irgendwie wurde ihr dieser Drang abtrainiert. Das war unvernünftig. Damit brächte man sich nur wieder unnötig in Gefahr. Auch wenn es ihr bis dahin nicht oft passiert war, dass sie sich etwas hatte sagen lassen, vertraute sie auf die Worte der sogenannten Fachleute. Sicherheit war es, was sie brauchte und Beständigkeit. Die Haily damals wäre bei diesen Beschreibungen davon gelaufen aber man hatte es ihr langsam beigebracht und sie schonend an diese Dinge herangeführt und irgendwann hatte es sich ganz von selbst eingeschlichen und gefügt. Vor eineinhalb Jahren hatte sie auf Aiden Schoß gekauert, im Auto am Rande einer Straße und die beiden hatten überlegt wie es weiter gehen könnte. Obwohl eines unausweichlich war - Aiden musste in eine Therapie. Das Drogenproblem konnte Haily ihm nicht nehmen und er konnte es auch nur schaffen, wenn er das mit sich alleine ausmachte. Faszinierend, dass diese Art der Probleme immer nur alleine bewältigt werden konnten aber eventuell brauchte man dabei die geballte Kraft für sich alleine. Oder eventuell sah man sein Problem nicht, wenn man dabei nicht alleine war. Sie wusste es nicht genau aber beide waren sich einig, sie konnte das nicht mit tragen - wollte sie auch nicht und Aiden wollte ihr auch nicht noch mehr Last auftragen. Sie verabschiedeten sich wie Liebende - denn das waren sie auch aber ohne ein weiteres, gemeinsames Ziel. Haily war damals noch sehr vom Schicksal geleitet und hatte es für besser so gehalten. Sie hatte noch nicht gewusst, wo es für sie wirklich hin gehen würde und wie sie ihre Seele heilen wollte. Es war auch nicht so, dass es auf Anhieb einen Weg gegeben hatte, als sie dann alleine in dem Wagen auf dem Parkplatz stand. Keine Hinweise wie in Computerspielen, welcher Pfad nun der sein könnte, den man weiter gehen muss. Also streifte sie vorerst Ziellos und alleine umher. Es zog sie zu Gus aber der Ließ sich so schwer finden, Chas wollte sie nicht sehen und all sein Leid, was er verursachte und Matt kümmerte sich um Madison. Ihr kam auch Noah in den Sinn aber bei dem durchgehen der Menschen, nach denen sie sich sehnte, wurde ihr selbst deutlich, wie Abhängig sie sich gemacht hatte und Entschied sich allen Wünschen nach Nähe entgegen und reiste eine Weile alleine. Die junge Dame verkroch sich viel in der Natur, probierte sich zu erden aber je mehr das gelang, desto grausamer die Erinnerungen an die Erlebnisse mit Chris und wie viel Leid geschehen war. Es war sehr schwer sich einzugestehen, dass sie sich nicht selbst helfen konnte und so kam es nach langem zögern dazu, dass sie Summer heimlich um Hilfe und die finanziellen Mittel bat, eine Therapie machen zu können. Wieso das alles in der Nähe ihrer alten Heimat, dass war Haily gar nicht so bewusst. War es dieses komische "Nach Hause kommen" von dem viele Sprachen oder weil dort ihre Reise begonnen hatte und sie sich fühlte, als würde alles erneut auf Anfang gesetzt? Sie konnte es nicht sagen aber diese Handlungen kamen noch alle aus ihrem Bauch heraus. Geleitet von nichts als ihrer Intuition. Ein halbes Jahr hatte es gedauert, bis sie hier angekommen war

Heute war das anders. Heute Entschied auch oft die Vernunft. Das abwägen einer Situation und was für einen Gut ist und was nicht. Durch Fakten bestimmt und nicht durch eine Emotion. Ein halbes Jahr hatte sie sich Intensiv mit ihrer Vergangenheit auseinander gesetzt. Die Bauchschmerzen wurden nicht mit kuscheln geheilt sondern durch Medikamente. Ebenso ihre Hyperaktive Art. Ihre Freizeit wurde nicht durch kreatives Durcheinander bestimmt sondern durch ´Wiedereingliederung´ und Freundschaften bekamen eine ganz normale Form. Diese intensiven Seelenverwandschaften und dieses Magische um ihre Gefährten, dass verblasste. Alles wurde zum Durchschnitt - Durchschnitt war doch nicht schlecht und irgendwo war es auch das richtige. Denn in dieser Ruhepause der hitzigen Auf und Abs, gelang es ihr, das geschehene aufzuarbeiten. Zu lernen, damit umzugehen. Es war nicht nur der Missbrauch durch Chris, es war der Verlust ihrer Familie - viel zu früh. Ihre Ruhelosigkeit. Das Gefühl, nie anzukommen.

Dieses geregelte Leben nun wieder zu verlassen, dass wäre absolut Waghalsig. Was, wenn sie erneut alles einholte - und das nur, weil ihr nicht ausreichte, was sie nun hatte? Nein. Haily lebte in einer ganz normalen Wohngemeinschaft - Hauptsächlich um sich die Miete leisten zu können. Sie machte typische Dinge unter der Woche wie Sport oder auch mal auf der faulen Haut liegen und das auch nur weil sie erledigt war von ihrer Arbeit. Ohne Schulabschluss und Ausbildung musste man schon härter schuften und so verlief ihr Leben. Gerade war sie auf dem Weg in eines der Bürogebäude, wie sie Abends in Ruhe das sauber machen übernahm. Ja - richtig gehört - sauber machen und nicht sauber machen lassen. Für sich ganz alleine. Ohne Ablenkung und Menschen, denen man die Aufgabe abdrückte, wenn man keine Lust mehr hatte.


RE: New York - Aiden Rutherford - 19.07.2018 00:34

Aiden hatte in seinem erwachsenen Leben schon mehrmals versucht die Drogen gänzlich hinter sich zu lassen: Zum ersten Mal, als sein Manager ihn damals zwang einen Entzug hinter sich zu bringen, um weiterhin auf der Bühne stehen zu dürfen. Und dann ein weiteres Mal, als er wegen dem Mord an Chris erneut hinter Gittern sitzen musste. Beide Male war der Drogenentzug jedoch nicht aus seiner eigenen Motivation entstanden. Beide Male hatte man ihn in ein Umfeld gedrückt, das Drogen nicht duldete, und ihm damit die Pistole vor die Brust gesetzt. Gerade nach dem Gefängnis - und trotz seiner Bewährung - hatte es deshalb nicht lange gedauert, bis Aiden sich wieder in Sicherheit wog und demnach erneut Zuflucht bei seinem weißen Pulver suchte; und auch nach seinem ersten klinischen Entzug war es ihm nicht gelungen lange nüchtern zu bleiben. Weil ihm die Einsicht fehlte, dass es bei dieser Therapie nicht darum ging jemand anderem einen Gefallen zu tun oder darum wieder gesellschaftsfähig zu werden, sondern darum die Dinge aufzuarbeiten, die überhaupt erst zu der Sucht führten.
Schon seit jeher hatte Aiden versucht sich gegen seine Vorbelastungen zu wehren. Er wollte nicht darüber nachdenken wie sehr der Verrat und der Verlust seiner Mutter ihn noch immer schmerzte. Er wollte nicht erörtern, dass seine Verlustängste genau daher kamen. Seine unterschwellige Wut und Aggressivität sah er nicht als Problem, sondern als seinen unveränderlichen Charakter. Und die Zukunftsängste waren schon längst zur Normalität in seinem Leben geworden. Für ihn gingen diese Dinge nicht mit seinem Drogenkonsum einher, er sah den Zusammenhang nicht und wollte es auch gar nicht erst versuchen. Das Leben als Musiker ist halt einfach dafür prädestiniert, hatte er sich oft heraus geredet. Jeder nimmt Drogen, der was auf sich hält. Oder ein bisschen Spaß haben will.
Diesmal jedoch, diesmal war es anders. Als Aiden diesmal erneut zur Klinik fuhr, da tat er das nicht für die Musik und auch nicht, weil er dazu gezwungen wurde. Er tat es nicht einmal für Haily. Sondern, weil sein Leben plötzlich an einer Schneide ankam, an der wohlmöglich allerletzten: Entweder er fand einen Weg den Drogen fern zu bleiben, oder er lief geradeaus auf seinen Tod zu. Denn lange hätte sein Körper das nicht mehr mitgemacht, diesen ständigen Schlafentzug, die durchzechten Nächte und auch, dass er dabei ständig vergaß etwas zu essen. Zu oft pumpte zu viel Chemie durch Aidens Körper, zu selten gab er sich die nötige Ruhe. Und dass er nebenher auch noch charakterlich unausstehlich wurde und Lucy, Haily oder auch seine wenigen Freunde bereits zahllos enttäuscht und verletzt hatte, das war daher sogar nur zweitrangig. Es ging hier um sein Leben. Und obwohl ihm gerade die ersten Tage in der Klinik unheimlich schwer fielen und er mehrmals kurz davor stand das Gebäude wieder zu verlassen, besann er sich dann letztendlich doch immer wieder auf diesen Gedanken. Er wollte leben. Es lohnte sich zu leben. Tief im Innern wusste Aiden, dass er noch nicht abgeschlossen hatte mit dieser Welt. Noch nicht alles getan, was er tun wollte. Noch nicht alle Bücher und Gedichte verschlungen, die er noch lesen wollte. Nicht alle Lieder gehört. Nicht alle Orte gesehen. Er hatte noch nicht genug geliebt. Und noch nicht genug verziehen. Noch nicht einmal genug gestritten.
Die Zeit in der Klinik waren dennoch die wohl härtesten, aber auch lehrreichsten Monate, die Aiden je durchstehen musste. Er wurde mit allem konfrontiert, was er bisher so vehement von sich weggeschoben hatte, und ihm war es gegen Ende sogar gelungen seine Mutter zu einem Gespräch einzuladen. Er hatte auf dem Stuhl seiner Therapeutin geweint, geschrien, geschwiegen und irgendwann sogar gelacht. Er hatte sich selber noch einmal neu kennen gelernt, aber im Zuge dessen auch akzeptiert, was sich nicht ändern ließ. Seinen Charakter. Aiden war nunmal ein eher verschlossener Mensch, und er würde auch immer ein Grenzgänger bleiben. Er war öfter pessimistisch als optimistisch eingestellt, und ja, vielleicht gefiel ihm das sogar. Er wollte seinen Spitznamen Grumpy Aiden nicht verlieren. Außerdem war er selbstkritisch, und egozentrisch, und voller Vorurteile. Aber das war okay. Das musste okay sein. Das hatte er in den vergangenen Monaten gelernt. Und noch viel mehr als das.
Mit einem ganz neuen, für Aiden sehr unbekannten Lebenswillen hatte er nun also vor mittlerweile einem Jahr die Klinik wieder verlassen und sich mit Unterstützung seiner Therapeutin erneut diesem Leben außerhalb der Schutzmauern gestellt. Seine Versuche sich einzugliedern verliefen zwar nicht steil bergauf, er hatte oft Rückschläge einstecken müssen und sich auch unzählige Male nach der Erlösung der Drogen gesehnt, aber ein Jahr später befand er sich dann doch in einer relativ stabilen Existenz. Aiden hatte wieder eine eigene kleine Wohnung und einen Job in einem Verlagsunternehmen. Er nahm regelmäßig an einer Selbsthilfegruppe für ehemalige Drogensüchtige teil und hatte sich sogar wieder ein kleines soziales Umfeld aufgebaut. Er machte ab und zu Sport und besuchte Konzerte. Nur selber erneut die Bühne zu betreten, diesen Schritt hatte er bisher noch nicht gewagt. Zu groß war der Respekt davor wieder in alte Verhaltensmuster zu fallen. Aber auch das war in Ordnung, sein Weg der Besserung war schließlich kein Wettrennen. Er hatte noch immer sein ganzes verdammtes Leben vor sich, und er würde nichts dadurch verlieren, dass er sich nun noch ein bisschen Zeit einräumte.
Aidens Job nahm neuerdings schließlich auch einen großen Platz in seinem Leben ein, denn nachdem man ihn anfangs für drei Monate auf die Probe gestellt und zum büroeigenen Kaffee-Koch degradiert hatte, vertraute man ihm mittlerweile schon wichtigere Jobs an. Und dazu gehörte auch, dass er ab und zu durch das Land reisen und sich mit möglichen neuen Klienten treffen musste, wenn er in einem der vielen Bücher, die täglich auf seinem Schreibtisch landeten, eins fand, das ihn ansprach und das sich verkaufen ließ. Einige Kunden hatte Aiden für seinen Verlag schon unter Vertrag genommen, und auch in dieser Woche musste er einmal quer durch das Land fliegen, um sich mit einem Autor in New York zu treffen. Den ganzen Morgen lang hatte er mit dem Mann über die Konditionen eines Vertrags unterhalten und geschaut, ob die Zukunftsvisionen von dem potentiellen Klienten mit denen seines Verlags übereinstimmten, aber diesmal konnte er leider keinen Erfolg verzeichnen. Man kam trotz aller Bemühungen einfach nicht auf einen gemeinsamen Nenner.
Um die Enttäuschung darüber ein wenig zu dämpfen, hatte Aiden sich gerade einen großen schwarzen Kaffee gekauft und stellte sich nun darauf ein den Nachmittag im Café zu verbringen und ein paar weitere Buch-Rohfassungen zu überfliegen, als seine Aufmerksamkeit jedoch auf einmal nach draußen gelenkt wurde. Auf eine junge Frau mit langen blonden Haaren, die eilig direkt vor seinem Fenster vorbei lief. Wie ein Zeitlupe fühlte es sich an wie Aiden sie mit seinem Blick verfolgte und im Nachhinein könnte er auch nicht mehr beteuern, ob er die Worte Haily? Das ist doch- ist das nicht Haily? laut ausgesprochen oder nur in seinem Kopf vor sich her gemurmelt hatte. Dass er daraufhin jedoch urplötzlich nach seiner Tasche griff und beim Hinauseilen sogar einen Stuhl umwarf und damit für seinen Geschmack ein wenig zu viel Aufmerksamkeit auf sich zog, das spielte sich ganz sicher nicht nur in seiner Vorstellung ab. Für Entschuldigungen oder Konfrontationen war jedoch auch keine Zeit, denn so schnell er konnte rempelte Aiden sich seinen Weg nach draußen auf die Straße und versuchte der blonden jungen Frau zügig hinterher zu laufen, ohne dabei etwas von seinem Kaffee zu verschütten. Auch das gelang ihm jedoch nur halbwegs erfolgreich, denn während er sie endlich eingeholt und mit einem atemlosen "Haily?!" ihre Schulter berührte, schwappte zum wiederholten Mal etwas von seinem Kaffee über seine Hand und entlockte Aiden erneut ein paar kaum entzifferbare Flüche.


RE: New York - Haily Stone - 20.07.2018 13:10

Als Haily eine Hand auf ihrer Schulter spürte wäre das der Teil in Filmen gewesen, der sich in Zeitlupe abspielte aber in der Realität ging das alles so viel schneller. Es traf einen mit Wucht und nicht mit schöner, untermalender Musik sondern eher wie eine Ohrfeige und alles war still. So still New York eben sein konnte. Ihr Gehirn brauchte etwas, zusammenzusetzen, was hier gerade geschah und seitdem sie dem Schicksal und der Magie abgeschworen hatte, war das hier auch viel, viel schwieriger zu Erklären. Wahr zu haben. Die Welt war riesengroß, Amerika war riesengroß und auch New York war riesengroß - für zwei einzelne Menschen. Wie also war es Möglich, dass die beiden sich hier Wiedersehen konnten? Einfach so? Spontan. Ohne voneinander zu Wissen, wo der andere gelandet war. " Aiden..." Stellte sie unnötig fest während ihn zwei riesige Augenpaare anstarrten. Wieso war sie auf das hier nicht vorbereitet? Wieso hatte sie denn mit ihrer verdammten Therapeutin nie darüber gesprochen, was sie tun sollte, wenn sie die Vergangenheit einholte? Wenn sie Aiden wiedersehen würde? Vielleicht weil der Gedanke so abwegig war und nun war es doch eingetreten. Irgendwo in ihrem tiefsten inneren rührte sich Haily - diese quirlige Person, die sie eigentlich schon so lange nicht mehr gewesen war und unbedacht sprang sie ihn an, mit einem freudigen Quieken. Die Arme um den Hals, die Beine um seine Hüfte und natürlich resultierte darin, dass sein Kaffee im Überraschungsmoment das zeitliche Segnete und auf den Boden fiel. Vor Erinnerungen rettete man sich nicht und gegen die gab es auch keine Medikamente und so sah sie ihn prüfend an, als sie wieder auf ihren Beinen stand und zweimal den Blick zum Kaffee gesenkt hatte. Der Aiden, den sie kannte, der würde sich nun darüber Ärgern - wie Haily eben war. Ungestüm und unvorsichtig. Er wäre muffelig und grumpy. Hatte er sich auch so verändert wie sie oder? "T´schuldigung." Murmelte sie dann und hielt die Hände vor den Mund. Haily selbst war überfordert mit ihrem Ausbruch an Emotionen, das gab es hier einfach nicht und sie war doch auch ganz froh darüber. Wenigstens merkte man, dass ihr das Missgeschick wirklich Leid tat und es sie nicht mehr nicht im geringsten Berührte. Haily hätte sich niemals für einen Ausbruch der Gefühle entschuldigt, sie hätte sich viel eher gerechtfertigt oder es eben als Selbstverständlich erachtet, dass man mit so einer Reaktion von ihrer Seite hätte rechnen müssen. Hätte er halt seinen Kaffee besser festhalten sollen. Zu ihrer Beruhigung war ihr also doch anzumerken, dass sich ihr Gemüt verändert hatte. Nicht nur anzumerken für jemanden der sie kannte, sie spürte es auch innerlich. Das hier war eine ganz interessante Probe ihres Verhaltens. Sie kam über den ersten Schock und die Überraschung hinweg und senkte die Hände - mehr noch, sie schaute auf die Uhr um ihr Handgelenk. Als hätten Haily jemals Uhrzeiten interessiert. Was sie schon für weitreichende Reden gehalten hatte, wie sinnlos es war, auf die Zeit zu achten und wie sie sich dem nicht beugen würde. Jetzt kam etwas ganz anderes aus ihrem Mund. " Ich hätte noch Zeit, dass wir dir einen neuen holen aber dann muss ich mich leider echt beeilen - sonst komme ich zu Spät zur Arbeit." Für gewöhnlich hätte sie für so eine Begegnung alle Pflichten in der Versenkung verschwinden lassen aber abgesehen von dem neuen Verhalten - der eingebläuten Struktur, brauchte sie auch einfach den Job oder eher das Geld. Die WG in der sie nun lebte war nicht so Gnädig und gestattete ihr dabei die Einstellung: Kommt es heute nicht, dann vielleicht Morgen. Sie führte tatsächlich ein anderes Leben und hatte auch Verantwortungsbewusstsein gegenüber anderen Menschen Entwickelt. " Dabei kannst du mir dann erzählen, wie es kommt, dass ich dir hier Über wen Weg laufe und wie es dir geht?" Natürlich interessierte sie auch das. Damals hätte sie ihn wahrscheinlich angeflauscht und alle Fragen in den Hintergrund geschoben. Es wäre ein Redeschwall aus ihr heraus gebrochen, über persönliche Themen, die eigentlich nicht in ein Gespräch zwischen Tür und Angel gehörten. Weil es keine Grenzen gab. Allem voran nicht bei Menschen denen man Nahe stand- aber all das gab es jetzt. Eines konnte man aber ganz deutlich sehen - Aiden sah so viel Gesünder aus, als vor eineinhalb Jahren. Er war nicht mehr am Rande des Lebens unterwegs. Sein Körper hatte sich erholt und Haily erinnerte sich schmerzlich, wie sie ihn mit dem Krankenwagen hatte abholen lassen müssen. Es schnürte ihr noch immer die Luft ab, daran zu denken aber das hier war so positiv. Er sah so viel besser aus. Nicht nur sein Körper, auch seine Augen und sein Gesicht verrieten ihr, irgendwas hatte sich verändert. Seine ganze Ausstrahlung hatte etwas anderes.


RE: New York - Aiden Rutherford - 24.07.2018 14:38

Selbstverständlich kam ein weiteres Fluchen über Aidens Lippen, als Haily ihn plötzlich wie ein Affe ansprang und dabei sein gerade erst bezahlter Kaffeebecher auf den Boden segelte, aber dass er daraufhin trotzdem ganz fest seine Arme um ihren Körper schloss und sie am liebsten gar nicht mehr loslassen wollte, das ließ sich dennoch nicht verhindern. Grumpy war Aiden zwar immer noch, und fluchen oder zetern tat er auch ähnlich oft wie früher, doch die Wiedersehensfreude, die auch er jetzt spürte, stellte alle anderen Emotionen in den Schatten. Viel zu oft hatte er sich während der vergangenen anderthalb Jahre den Kopf darüber zerbrochen wie es seinem Fabelwesen wohl ging und wo in dieser Welt sie sich gerade herum trieb. Er hatte ihr während der Therapie zwei Briefe geschrieben und, weil er nie eine Antwort erhalten hatte, nach der Entlassung auch einmal ihr verrücktes, buntes Haus besucht, doch auch dort hatte niemand etwas von Haily gehört. Wenn Aiden sich einsam und alleine fühlte - und sich dann nur mehr danach sehnte noch einmal in ihre absurde Welt eintauchen zu dürfen - dann malte er sich gedanklich fantasievolle Geschichten aus, was seine einstige Liebe wohl gerade trieb. Vielleicht war sie irgendwo im Dschungel von Südamerika und wurde dort von einem Ureinwohner-Stamm als Göttin verehrt. Oder sie lebte in einer riesigen, wilden Kommune irgendwo in einem abgelegenen Gebiet, und verbrachte den ganzen Tag mit den Dingen, die ihr am meisten Spaß bereiteten: Steine beobachten zum Beispiel. Oder im Gras nach kleinen Tieren suchen. Vielleicht war Haily ja sogar tatsächlich in ein Kriegsgebiet geflogen und vielleicht hatte sie dort mit all ihrer Liebe die Waffen zum Schweigen gebracht und stattdessen einen Ort erschaffen, an dem die Menschen einander achteten und wertschätzten. Keine Idee war zu abwegig, Aiden war sich sicher, dass dieses besondere Fabelwesen alles schaffen könnte, und es beruhigte ihn, wenn er sich innerlich vorstellte wie glücklich sie wohl gerade war. Auch ohne ihn.
Die Wirklichkeit jedoch, die schien noch einmal ganz anders auszusehen, denn Haily war hier. In New York. Direkt vor ihm. Und sie sah anders aus. Zu Beginn konnte Aiden gar nicht recht festmachen, woran das lag, er war noch viel zu benebelt von diesem unerwarteten Wiedersehen und der grenzenlosen Euphorie, die sich in seinem Körper kribbelnd bemerkbar machte, doch es dauerte auch nicht lange, bis ihm die ersten Abnormitäten in ihrem Verhalten auffielen. Sie entschuldigte sich für diesen Ausbruch ihrer Emotionen? Hatte sie das früher jemals getan? Und sprach sie tatsächlich von Arbeit? Was für eine Art von Arbeit könnte dieses Fabelwesen überhaupt ausführen? Vielleicht stand sie irgendwo in einer kunterbunten Kneipe hinter der Theke und schenkte selbst gebraute Cocktails aus. Letztendlich war es die Uhr, welche Haily um ihr Handgelenk trug und wie selbstverständlich betrachtete, die Aiden so deplatziert dort empfand, dass er mit schief gelegtem Kopf einmal lachte. "Ach du Scheiße, wer hat dir die denn verpasst?", fragte Aiden sarkastisch mit einem Nicken in Richtung ihrer Hand.
Hatte es etwas zu bedeuten, dass Haily sich nicht mehr Zeit einräumen wollte, um mit ihm zu sprechen, als ein paar Minuten? Hatte sie mit ihm abgeschlossen? Wollte sie ihn vielleicht gar nicht sehen? Nicht mit ihm reden? Diese Unsicherheit war etwas, mit dem Aiden sich seit seinem Entzug noch immer nicht anfreunden konnte. Die Drogen hatten diesen Teil seines Gehirns immer erfolgreich ausgeschaltet; ohne sie war er sich selber und seinen Minderwertigkeitsgefühlen gänzlich ausgeliefert. Und auch jetzt kostete es ihn Mühe und Kraft sich diesem Gedankenstrudel zu widersetzen. "Wie wärs, wenn du das mit dieser komischen Arbeit heute einfach sein lässt, wir uns beide einen Kaffee holen und uns irgendwo in Ruhe hinsetzen? Es ist so viel passiert, Haily, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Und ich will wissen wie es dir geht. Und was du hier machst. Und warum du eine Uhr trägst." Wieder dieses ironische Grinsen auf seinem Gesicht, das sich dann aber doch langsam in ein sehr offenes, ehrliches Lächeln verwandelte. "Ich freue mich so dich zu sehen. Wirklich. Ich hab mich so oft gefragt, wo du wohl bist und was du machst."


RE: New York - Haily Stone - 24.07.2018 22:53

Haily schwelgte noch in den Anblick eines viel gesünderen Aiden, als dieser sie auf ihre Uhr aufmerksam machte. Kurz war sie irritiert, denn wenn sie eine neue Rolle eingenommen hatte, ganz gleich welche, dann tat sie das auch immer komplett. An jedem ihrer großen Wendepunkte in ihrem Leben hatte sie sich schnell mit ihren neuen Verhaltensweisen identifiziert und deswegen war es ihr auch so Fremd, dass jemand diese Veränderungen an ihr nicht kannte. Vielleicht weil es selten der Fall gewesen war oder sie es selten zugelassen hatte, dass jemand aus ihrer Vergangenheit sie nach einem Wechsel ihres Lebensstiles erreichen konnte. Abgesehen von der Familie und die hatten sich dem irgendwie fügen müssen - mehr oder weniger. Vor Aiden konnte sie sich aber nicht verschließen, sie konnte ihn nicht inmitten von New York stehen lassen und ihres Weges gehen. Sie Glaubte nicht, dass es damit zusammenhing, dass sie sich auch in dieser Art im Umgang mit Menschen geändert hatte. Nein, hierfür gab es einen anderen Grund wieso sie sich nicht lösen konnte. Dafür waren die Gefühle für ihn zu besonders gewesen, in dieser Beziehung hatte es so unglaublich tiefgehende Momente gegeben und nicht einmal Haily konnte sich dem entziehen. Das Gefühl blieb, als ihr Blick an seinen Augen hing und sie berührte es auch, wie viel Emotionen da im Gesicht ihres Gegenübers zu sehen waren. Von ihm war sie das nicht gewöhnt und weil es sie so kribbelnd erfüllte, schlang sie die Arme um ihren Körper und genoss kurz einfach diesen Moment. Aiden empfand Freude dabei sie zu sehen. Klare Freude die nicht von einer chemischen Substanz in seinem Gehirn bestimmt oder aber auch vernebelt wurde.

Zumindest wurde er von ihr so lange Genossen, bis er sie erneut Ansprach. Auch die Flut seiner Worte war überraschend und es kam ihr kurz so vor, als hätten die beiden ihre Rollen getauscht. Über ihr Gesicht huschte ein leichtes Lächeln und ihre Augen zeugten von derselben Wärme, die sie immer in sich getragen hatte. Also konnte Aiden gar nicht davon ausgehen, dass sie ihn nicht sehen wollte oder das sie ihn hier Abwies. Außerdem würde sie nicht Lügen, bei dem was ihre Lippen verließen. " Ich Freude mich auch unglaublich dich zu sehen, du siehst so gut aus! Das macht mich wirklich Glücklich." Einen weiteren Moment strahlte sie ihn an, eher sie die Schultern anhob. " Aber ich kann den Job nicht einfach sausen lassen, ich bin darauf angewiesen." Es klang so, als sei sie um einige Jahre gealtert und als wäre aus dem Kind eine Erwachsene geworden. Eventuell klang es auch etwas einstudiert von einem System, in dem Menschen wie Haily nun einmal keinen Platz hatten und diese Person, der das völlig egal war, war eben auch in der Realität angekommen. Auch wenn es bis dahin doch immer gut für sie ausgegangen war weil kaum ein Schein ihrer Art gerecht wurde und die Menschen um sie herum das auch wussten und mehr schätzten. " Bei mir ist eben auch viel passiert - die Uhr habe ich mir selber besorgt. Irgendwann ist es auch an der Zeit." Schmunzelte sie kurz über ihr Wortspiel. Hat meine Therapeutin mir empfohlen würde so nach Ausrede klingen, also hatte sie sich für diesen Weg entschieden. Trotzdem war sie irgendwie doch nicht gewillt ihn hier stehen zu lassen und so rang sie innerlich mit sich, nichts dummes und unüberlegtes tun aber auch ihre Pflichten nicht zu vernachlässigen. " Komm doch einfach mit, ich putze ein Büro hier um die Ecke und am Abend sind die ohnehin leer. Also wenn du dafür auf den Kaffee verzichtest?" Hoffentlich würde sie dafür keinen Ärger bekommen aber es schien ihr die einzige Lösung, beides unter einen Hut zu bekommen. Das Wiedersehen zu vertragen? Dafür war sie auch zu sehr im Bann ihrer Glücksgefühle.


RE: New York - Aiden Rutherford - 25.07.2018 19:06

Die Worte, die aus Hailys Mund kamen, schienen erneut so absurd, dass Aiden gar nicht anders konnte, als seine Stirn in ratlose Falten zu ziehen und - noch immer schwach lächelnd - den Kopf zur Seite zu legen. So als wartete er darauf, dass die junge Frau vor ihm das alles als einen dummen Scherz auflöste, ließ er ein paar Sekunden vergehen, aber das geschah nicht. Haily brach nicht auf einmal in Gekicher aus und belustigte sich über sein verdattertes Gesicht. Im Gegenteil sogar, ihr Ausdruck schien so ernst zu sein, dass es stattdessen Aiden war, der noch einmal leise auflachte, um seiner Überforderung Ausdruck zu verleihen. "Du bist auf den Job angewiesen? Wann warst du jemals auf irgendetwas angewiesen?", spottete er mit einem etwas unsicheren Unterton in der Stimme. Haily hasste Verpflichtungen, das hatte sie schon immer getan. Und sie band sich an nichts und niemanden. Niemals. Das ging völlig gegen ihre Natur. Vor allem, wenn es sich dabei um so etwas Unnützes wie Geld und Arbeit drehte. Verdammt, wie oft Aiden schon mit ansehen musste wie sie sich sogar aus den Aufgaben im Haus heraus mogelte, weil Haily ihre Zeit zu kostbar war, um sie mit Putzen, Spülen oder Aufräumen zu verbringen. Es sei denn ihr Herz verlangte gerade danach ein bisschen Ordnung zu schaffen, dann war das okay, aber auch wirklich nur so lange, bis ihr Herz dann plötzlich nach etwas anderem verlangte. Nichts tun zum Beispiel. Oder alles wieder unordentlich machen.
Dass genau diese junge Frau jetzt einem geregelten Job nachging - und nicht nur irgendeinem, sondern dann auch noch als Putzkraft - das empfand Aiden als so abwegig, dass mittlerweile tatsächlich das Lächeln aus seinem Gesicht gewichen war und er sie stattdessen gründlich und ein bisschen zu lange einfach nur anstarrte. Was war denn bitte in den vergangenen anderthalb Jahren mit Haily geschehen, dass es so wirkte, als hätte sie sich selber einmal um 180° gedreht? Wo war denn diese Frau hin, in die er sich damals - gerade wegen ihrer Andersartigkeit - verliebt hatte? Oder interpretierte Aiden einfach zu viel in diese kleine Nichtigkeit hinein? Ja, gut, vielleicht hatte Haily jetzt einen Job und eine Uhr, aber das hieß ja nicht, dass sie nicht immer noch dieselbe Person sein konnte, die er glaubte so gut zu kennen. Verbissen versuchte er deshalb die aufkeimenden Sorgen aus deinem Kopf zu verbannen und nickte stattdessen zustimmend. "Okay. Kein Problem. Den Kaffee kann ich mir auch später holen und ich hab sonst nichts vor, dann komm ich einfach mit und schaue dir beim Putzen zu. Ich kann mich sowieso nicht daran erinnern dich jemals beim Putzen gesehen zu haben." Diesmal war das neckende Lächeln auf Aidens Gesicht ein bisschen schwächer als zuvor, aber dennoch schüttelte er noch einmal seine Hand, um den Rest des übergeschwappten Kaffees auf die Art erfolglos loszuwerden, und nickte Haily dann auffordernd zu, damit sie die Richtung für ihn wies. "Also? Erzähl. Was ist dir in den letzten Monaten so passiert und wo hast du dich rumgetrieben? Welche Abenteuer hast du diesmal erlebt?" Aiden hatte es selten zugegeben, aber er liebte Hailys Geschichten vom Reisen. Sie erlebte Dinge, die er selber niemals durchleben würde, und genau dafür brannte er. Für alles, was er nicht kannte und nicht verstand, und Haily war schon seit jeher die Personifikation genau dessen.


RE: New York - Haily Stone - 25.07.2018 20:36

Wann war Haily auf irgendwas angewiesen? Oder eher - wann hatte sie begonnen, daran zu Glauben, dass sie auf etwas angewiesen war? Das war eindeutig in der Zeit geschehen, als sie für sich alleine versucht hatte, mit den Erlebnissen der Vergangenheit klar zu kommen. Das war mehr als sie selbst in der Lage gewesen war zu bewältigen und wo ihr auch nur Menschen hatten helfen können, die Subjektiv an ihre Geschichte heran gegangen waren. Aiden konnte es nicht besser wissen, bei dieser Erkenntnis hatten die beiden sich schon lange voneinander Verabschiedet aber als er sie nun danach fragte, bildete sich ein Unbehagen in ihrer Magengegend. Es waren dieselben Symptome, die sie auch dann Verspürte, wenn sie an ihre damalige Freiheit dachte und diese komische Gewissheit von damals, der ganzen Welt strotzen zu können. Das hatte sie aber nicht gekonnt. Sie hatte Menschen wie Chris nicht die Stirn bieten können und mit all ihrer Güte und ihrem guten Glauben an die Menschen hatte sie ihn nicht ändern können und das war der Wendepunkt. An dem sie hatte einsehen müssen, sie war vielleicht doch auf Ordnung angewiesen. In einem gesicherten Umfeld konnte ihr nicht so viel passieren. Nun konnte man an die zahlreichen Worte der Therapeuten denken, die Haily daran erinnerten, dass man sich so etwas aufbauen musste wie ein Sicherheitsnetz und irgendwo hatte sie gänzlich vergessen, dass das auch die Menschen für sie gewesen waren, an die sie damals alleine in den Wäldern gedacht hatte. An Noah, Gus, Matt und ja auch an Chas und Summer und irgendwann vielleicht auch wieder an Aiden. An die Menschen in diesem Hausprojekt, die auch immer für sie da gewesen waren aber damals war sie noch nicht so weit und deswegen hatte sie hier neu Angefangen. In dem Irrglauben, nur in diesen Strukturen würde das auch Funktionieren. Mit Menschen, die eben im Leben angekommen waren und nicht ihren Lebensstil noch unterstützen. Während Aiden sie also musterte war Haily selbst ganz in diese Gedanken vertieft und wurde erst erweckt, als er seine Hand schüttelte und sie leicht Lächelte. " Auch mal schön - du hast dich voll gekleckert und ich nicht." Nein, auch ihr Erscheinungsbild war viel ordentlicher als es damals war. Diese Klamotten hatten kein Vermögen gekostet und sie schlich auch noch immer gerne auf Flohmärkten herum aber hielt nach anderen Dingen Ausschau oder zog diese eben nur Zuhause an. Ja, es gab Kleidung für den Alltag und für Zuhause. Damals hätte sie schallend über diese Menschen gelacht und die Unnötigkeit analysiert.
" Na dann los." Haily wies ihm den Weg und es stellte sich als wirklich nicht sehr weit heraus. So Nahe, dass sie nicht mal wirklich zum Anfang ihrer Geschichte kam oder sich immer wieder einhakte, weil sie Türen aufschließen musste oder in einen anderen Gang des Riesen Gebäudes einbog. Erst als die beiden an einem Korridor angelangt waren und sie den Putzschrank öffnete, hatte sie so wirklich die Gelegenheit dazu. Vielleicht fiel es ihr auch schwer, Aiden zu Enttäuschen. Solche Abenteuer hatte sie nicht erlebt, wie er das nun erwartete und vielleicht war es ihr auch etwas peinlich zuzugeben, dass sie sich eben nicht alleine hatte Helfen können. Die beiden hatten damals darüber gesprochen, dass sie sich auch professionelle Hilfe hätte suchen sollen aber es waren eben nur Worte und damals hatte Haily noch daran festgehalten, es gäbe andere Wege für sie. " So viele Abenteuer gibt es da gar nicht. Ich bin ein halbes Jahr gereist, ja. Viel in der Natur gewesen aber dann - habe ich gespürt, dass ich alleine nicht weiter komme. Ich habe Summer um Hilfe gebeten und war selbst ein halbes Jahr in einer Klinik - einer Therapie und dann habe ich mir hier... ein Leben aufgebaut?" Ja, das war die ganz kurze Form dessen, was sich bis zu diesem Augenblick abgespielt hatte und nachdem sie alles aus dem Schrank gezogen hatte, sah sie Aiden auch etwas fragend an. Wollte er das wirklich alles Wissen? Wollte er sich - durch ihre Geschichte - daran Erinnern, was damals so verdammt schief gelaufen war? War er so stabil? Konnte sie ihm irgendwie damit schaden? Haily hielt ihre Worte wirklich zurück aus Sorge und Umsichtigkeit. Auch das war Neu. Normal plapperte sie unbedacht und wie ein Wasserfall - manchmal auch heute noch aber sie konnte besser vorher darüber nachdenken. " Ein geregeltes Leben, mit Struktur und wo keine verrückten Dinge passieren." Diesmal Lächelte sie herzlich. Es war ja nicht so, als hätte Aiden sich nicht oft genug über sie in ihrem faulen Lebensstil aufgeregt. " Nun du - was ist bei dir passiert?" Fragte sie neugierig und aus ehrlichem Interesse. Man spürte, wie wichtig es Haily war, hier mit Aiden zu stehen aber man merkte auch, dass sie nicht richtig mit sich umzugehen wusste. Hier kodierten gerade zwei Welten. Vielleicht ließ sie deswegen auch ihre WG, ihre Freunde, ihren Partner - alles heraus, was zu der Welt nicht passte, die sie mit Aiden geteilt hatte.


RE: New York - Aiden Rutherford - 26.07.2018 14:02

Aiden folgte Haily zwar bereitwillig, aber je tiefer sie sich in dieses Bürogebäude hinein bewegten, desto absurder empfand er diese gesamte Situation. Niemals hätte er sich erträumt je mit Haily in so einem Gebäude inmitten von Manhattan zu stehen und dann auch noch zu beobachten wie sie routiniert die Putzsachen aus einem Schrank hervor holte und sich bereit machte ganz allein und pflichtbewusst die Räumlichkeiten zu säubern. Ihren Job auszuführen. Während Aiden sich dabei umsah war es fast so als warte er noch immer verbissen darauf, dass die blonde junge Frau vor ihm das hier endlich als Scherz auflöste, ihn anstieß und zu einem Wettrennen die Gänge hindurch aufforderte, oder zu einem absolut kindischen Versteckspiel, das er dann mit einem Grummeln und Augenverdrehen kommentieren konnte, denn so war es doch immer zwischen ihnen gewesen. So hatte er sich in sie verliebt. Und erst als Haily ihren eigenen Klinikaufenthalt erwähnte, riss Aiden sich von diesen Erinnerungen wieder los und sah ihr stattdessen in die Augen.
"Du warst in einer Klinik?", hakte er völlig unnötig noch einmal nach, und für einen Moment konnte er selber nicht recht verstehen, weshalb er dabei so erschrocken aussah. Hatte er ihr nicht damals sogar empfohlen über eine Therapie nachzudenken? Sich professionelle Hilfe zu suchen? Damit sie verarbeiten konnte, was Chris mit ihr getan hatte? Und ihre zerrüttete Familiensituation? Aiden hatte geglaubt es könnte ihr dadurch so viel besser gehen, aber während er sie jetzt erneut betrachtete, erkannte er seine einstige Freundin kaum wieder. Sie hatte sich ein geregeltes Leben aufgebaut? Ein Leben, das von Struktur bestimmt war? Vor gar nicht allzu langer Zeit war ihr dieses Wort noch völlig fremd gewesen. Und die verrückten Dinge, die sie jetzt so kategorisch ausschloss, dafür hatte sie doch damals gelebt. Mehr noch sogar. Ihr passierten nicht einfach verrückte Dinge, sie war verrückt. Und wie sehr Haily das geliebt hatte! Ihre Andersartigkeit, ihre ganz eigene Weltanschauung, ihre Wärme und ihre Überlebenskunst. Hatte sie sich von all dem nach ihrem Klinikaufenthalt verabschiedet?
Weil Aiden gar nicht wusste wie er darauf reagieren oder was er darauf antworten sollte, legte sich stattdessen eine drückende Stille über sie beide nieder. Noch ein paar zehrend lange Sekunden betrachtete er Haily als sei sie eine Fremde, so lange, bis die Blicke der beiden einander trafen und Aiden sich stattdessen abwandte und erneut diesen riesigen Raum betrachtete. "Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass dir das gefällt. Das alles, meine ich. Ein Leben mit Struktur. Und ohne Chaos", sprach er letztlich doch in die Stille hinein, einfach nur, um irgendetwas zu sagen. "Geht es dir gut damit? Fühlst du dich besser, als vorher? Ich weiß, dass ich damals auch der Meinung war du solltest dir vielleicht Unterstützung suchen von einem Therapeuten, aber- du wirkst auf einmal irgendwie so anders." Ob gut oder schlecht, das konnte Aiden noch nicht so genau sagen.
"Aber wahrscheinlich denkst du dir dasselbe über mich auch, oder?" Als er ihr diesmal wieder in die Augen sah, um Hailys Frage an ihn zu beantworten, lehnte sich sein Kopf schon wieder ein wenig zur Seite. "Mir geht es gut. Meistens jedenfalls. Es gibt Tage, die sind anstrengender als andere, aber ich weiß, dass das einfach dazu gehört. Und dass es nichts bringt diese Tage zu betäuben. Also ja, ich hab den Entzug durchgezogen, ich war auch ein halbes Jahr in der Klinik, und bin noch immer drogenfrei." Weil das etwas war, auf das Aiden durchaus stolz sein konnte, lächelte er dabei schwach. "Ich hab einen Job in einem Verlag bekommen und suche jetzt quasi nach neuen Autoren, die wir unter Vertrag nehmen können. Deshalb bin ich auch hier, ich hab mich heute Nachmittag mit einem möglichen Klienten getroffen, morgen früh fliege ich wieder zurück nach Los Angeles. Und- ja. Sonst hat sich nicht viel verändert, glaube ich." Schwachsinn. Alles hatte sich verändert, aber nüchtern fiel es Aiden noch immer schwer über sich selber zu reden. Daran hatte sich nichts geändert.